Die Flut in Südasien fordert weitere Opfer

Indien setzt die Armee und neue Katastrophen-Hilfsteams ein. Politiker werfen sich gegenseitig Versagen vor

DELHI taz ■ Der Flutkatastrophe in Indien, Bangladesch und Nepal fallen immer noch Menschen zum Opfer. Die jüngsten waren die Besatzung eines überfüllten Boots, das auf dem Ganges im indischen Bundesstaat Bihar kenterte. Wie viele Menschen dabei ertranken, ist nicht bekannt.

Damit erreicht die Zahl der Toten im Verlauf der letzten sieben Tage knapp vierhundert. Der Pegelstand der Flüsse ist etwas zurückgegangen, aber das Wasser der dabei gebildeten großen Seen ist noch kaum abgeflossen.

Noch sind keine Seuchenopfer unter den Toten. Der Ausbruch von Krankheiten wie Malaria, Cholera und Typhus konnte bisher verhindert werden. In Indien kommen zum ersten Mal Hilfsteams der neu eingerichteten staatlichen Organisation zur Katastrophenhilfe zum Einsatz, die nach dem Tsunami von 2004 aufgebaut worden ist. Laut Medienberichten ist es dieser in Assam im Osten des Landes gelungen, zahlreiche Dörfer zu evakuieren und die Bewohner an sichere Orte zu bringen. Bereits vor Ausbruch des Monsuns seien entlang des Brahmaputras viele Lager mit Nahrungsmittelvorräten und Medikamenten eingerichtet worden.

Dies mag erklären, dass die Zahl der Opfer weit unter jener in Bihar westlich davon liegt. Dort waren die Vorbereitungen der Hilfsteams offenbar ungenügend. Allerdings wird der Einsatz in Bihar durch das Ausmaß der Überschwemmungen und die Größe des Einzugsgebiets der 28 Gangeszuflüsse den Einsatz wesentlich erschwert.

Viele der Opfer können weiterhin nur mit Hilfspaketen aus der Luft versorgt werden. Dies macht eine Einschätzung und Kontrolle namentlich der Krankheitsausbreitung schwierig. Zudem kann dabei keine gerechte Verteilung der Hilfspakete gewährleistet werden, was namentlich Frauen und ältere Menschen noch schutzloser macht. Bihar ist Indiens Armenhaus, und zahlreiche Haushalte werden von Frauen geführt, da die Männer in den Städten als Tagelöhner arbeiten.

Trotz der großen Zahl Hilfsbedürftiger hat die indische Regierung – im Gegensatz zu Bangladesch – erklärt, dass sie nicht auf den physischen Einsatz ausländischer Hilfsorganisationen angewiesen ist und die Hilfe allein bewältigen kann. Die Regierung von Bihar hat auch keine öffentlichen Hilfsappelle ausgesandt. Dafür ist die Armee im Großeinsatz. Sie beteiligt sich vor allem an der Überführung von Obdachlosen in sichere Sammelunterkünfte.

Die Politiker Bihars warten derweil mit Schuldzuweisungen nicht bis zum Rückgang der Flut. Der Regierungschef von Bihar, Nitish Kumar, warf dem nördlichen Nachbarn Nepal vor, die Überschwemmungen nicht verhindert zu haben. Seit Jahrzehnten versäume es das Gebirgsland, die Flüsse durch Staudämme zu regulieren, sagte er. Darauf meldete sich ein Politiker der Terai-Region Nepals zu Wort und drehte den Spieß um. Er behauptete, die Überschwemmungen in Nepal seien durch den Rückstau verursacht worden, den die Schließung der Stauwehren auf indischem Boden ausgelöst habe. BERNARD IMHASLY