Ein Klebstoff mit besonderer Bindung

Mehrere tausend Kilogramm verunreinigtes Guarkernmehl aus Indien wurden am Mittwoch in drei Firmen in Baden-Württemberg entdeckt. Sie waren mit den gefährlichen Giften Dioxin und Pentachlorphenol belastet. Brisanz erhält diese Meldung dadurch, dass sich Guarkernmehl in vielen Produkten des Alltags findet – es macht nicht nur Joghurt cremiger, sondern auch Briefmarken klebriger.

Woher die Guarpflanze (Cyamopsis tetragonolobus) ursprünglich stammt ist, ist unklar. Vermutet wird die Herkunft der Wildpflanze in Zentralafrika ebenso wie in Indien und Pakistan. Heute liegen die Hauptanbaugebiete in Indien, Pakistan und dem amerikanischen Texas. Rund 50.000 Tonnen Guarbohnen werden in den USA jährlich verarbeitet.

Die bis zu zwei Meter hohe Pflanze bildet zehn Zentimeter lange Hülsenfrüchte, die als Guarbohne, Calcutta-Bohne oder Siam-Bohne bekannt sind. Die darin enthaltenen Samen werden durch Trocknen und Mahlen zu Guarkernmehl und weiter zu Gummi arabicum verarbeitet. Diesen zähflüssigen Stoff verwendet die Industrie für sehr unterschiedliche Produkte: In Nahrungsmitteln findet man ihn vor allem als Appetitzügler und Verdickungsmittel bei kalorienreduzierten Lebensmitteln.

Guarkernmehl kann ähnlich wie herkömmliche Saucenbinder große Mengen Wasser binden und damit auch dünne Flüssigkeiten sahnig und reichhaltig erscheinen lassen. Industriebäckereien setzen es ein, um im Teig eine optimale Feuchtigkeitsverteilung zu erreichen, und in Speiseeis verbessert es die Schmelzeigenschaften. Auch in Marmeladen, Gelees und Konserven kommt der auf Zutatenlisten als „E 412“ bezeichnete Stoff zum Einsatz.

Wegen der klebrigen Eigenschaften von Gummi arabicum werden damit auch Etiketten und Briefumschläge gummiert, Farbpigmente von Künstlerfarben damit gebunden. Wegen seiner hohen Zähflüssigkeit wird Guargummi Klebstoffen zugefügt und soll die Reißfestigkeit von Papier verbessern. Auch für Kosmetika wie Haargel, für Munition sowie bei der Metallverarbeitung und in der Erdölindustrie werden die Eigenschaften der Pflanze genutzt.

Verursacht wurde der Giftbefall vermutlich von Pilzen. Obwohl die Grenzwerte bei den aktuellen Funden um ein Vielfaches überschritten wurden, besteht nach Ansicht des Bundesamtes für Verbraucherschutz keine unmittelbare Gefahr für die Verbraucher, weil der Stoff Lebensmitteln meist nur in geringen Mengen zugesetzt werde. Ob verunreinigte Lebensmittel bereits in den Handel gelangt sind, war zunächst unklar.

PAULA SCHEIDT