die taz vor zehn jahren über die friedensaussichten zwischen süd- und nordkorea:
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Erstmals sind Friedensverhandlungen auf der Koreanischen Halbinsel in Sichtweite gerückt. Bei den New Yorker Vier-Parteien-Gesprächen vereinbarte man die Aufnahme von Friedensverhandlungen in Genf – sechs Wochen nach der Einigung auf eine Tagesordnung. Das ist zweifellos ein Fortschritt.

Das nordkoreanische Regime steht mit dem Rücken zur Wand, wie die Flucht eines hohen Funktionärs im Frühjahr und die gegenwärtige schwere Hungersnot zeigen. Der Hunger hat dazu beigetragen, daß Pjöngjang nun überhaupt zu Verhandlungen bereit ist. So muß künftig damit gerechnet werden, daß Nord-Korea die Gespräche vor allem dazu benutzt, aus ihnen möglichst viel Kapital in Form von Hilfslieferungen zu schlagen. Diese Befürchtung wurde schon vor den jetzigen Vorgesprächen geäußert. Sie hat sich in New York nicht bewahrheitet, ist damit aber auch nicht aus der Welt. Schon bei den Verhandlungen um die Entschärfung des nordkoreanischen Atomprogramms vor zwei Jahren hat Nord-Koreas Regierung gezeigt, daß sie bereit ist, extrem hoch zu pokern. Zudem macht auch der Wahlkampf in Süd-Korea, wo im Dezember ein Präsident gewählt wird, kurzfristige Fortschritte eher unwahrscheinlich.

Die New Yorker Gespräche hatten einen positiven Nebeneffekt. Erstmals seit 1989 kam es zwischen den USA und China zur konstruktiven Zusammenarbeit in der Sicherheitspolitik. Letztes Jahr standen sich die Streitkräfte der USA und Chinas in der Taiwankrise gegenüber, dieses Jahr entwickelte sich China in der US-Öffentlichkeit zum neuen Feindbild.

Jetzt äußerten sich US-Vertreter positiv über Chinas Rolle bei den Korea-Gesprächen, zu denen die Volksrepublik erstmals dazugeholt worden war. Washington und Peking wollen Frieden in Korea. Sollten sie künftige Verhandlungen zum Erfolg führen, könnte dies den Grundstein für eine Annäherung in anderen Sicherheitsfragen bilden.

Sven Hansen am 9. 8. 1997