Studentenkämpfe in der Lobby

In einem Machtkampf zwischen den sozialdemokratischen Jusos und anderen linken Hochschulgruppen droht der bundesweite studentische Dachverband fzs zu zerbrechen

Der aktuelle Streit zwischen radikaleren linken Hochschulgruppen und den Jungsozialisten ist ein Höhepunkt in einem jahrelangen Machtkampf. Ursprünglich war der fzs mit eindeutig linker Linie gegründet worden. Nachdem der Verband 2001 eine neue Satzung bekam, die bei Abstimmungen die Größe der Unis berücksichtigt, ist es mit der linken Vorherrschaft vorbei. Seitdem ist die Politik wechselnden Mehrheiten in den Asten unterworfen. Damit ist der Verband offen für Studierendenvertretungen, die sich als serviceorientiert verstehen. Seit der Mitgliederversammlung im August 2005 dominiert der Juso-Flügel im fzs, seit Juli dieses Jahres auch den Vorstand. Diese Veränderungen trugen dem Verband nicht nur Kritik ein. Die Studentenvertretung der Uni Göttingen trat dem fzs sogar erst nach der Satzungsreform bei – nach eigenen Angaben mit guten Erfahrungen. TAZ

BERLIN taz ■ Die bundesweite Studierendenvertretung, der freie zusammenschluss von studentInnenschaften (fzs), steht möglicherweise vor der Spaltung. Auf dem Protestcamp „No way left“ vom 10. bis 12. August in Marburg wollen Verbandskritiker über ihren Austritt entscheiden, nachdem es auf der fzs-Mitgliederversammlung Ende Juli zum Streit gekommen war.

„Der jetzige Dachverband ist an den Unis quasi nicht präsent“, sagt Susanne Schmelter, Vorsitzende des Marburger Asta und Mitglied der Grünen Hochschulgruppe, „außerdem hat er die studentischen Proteste gegen Studiengebühren in Hessen kaum unterstützt.“

Die fzs-Mitglieder aus Hessen feilen gerade an einer gemeinsamen Austrittserklärung. Sie erwarten, dass sich auch die Studierendenvertreter aus Chemnitz, Jena, Freiberg und von der TU Berlin anschließen werden. Auf dem Protestcamp soll außerdem darüber geredet werden, ob ein alternatives bundesweites Netzwerk für die Studierenden Sinn macht – oder ob man sich lieber auf die Landesastenkonferenzen konzentriert, also jene Gremien, in denen die Studentenparlamente eines Landes zusammenarbeiten.

Hintergrund der neuen Querelen im Verband ist ein schon lange schwelender Grabenkampf im Verband zwischen den sozialdemokratischen Jungsozialisten (Jusos) und anderen linken Hochschulgruppen, der sich an der Frage der Studiengebühren neu entzündet hat. „Die Kritiker sehen im fzs zunehmend einen Lobbyverband, der die eigenen Inhalte über Bord wirft, um am Tisch der Mächtigen zu sitzen“, erklärt Konstantin Bender, Mitglied des auf der Mitgliederversammlung im Juli abgewählten Vorstands. „Beispielsweise wollte der entscheidende Ausschuss im fzs sich nicht an den Protesten gegen die Studiengebühren beteiligen, weil er mit der Hochschulrektorenkonferenz zusammenarbeitet.“

Die Querelen zwischen den radikaleren Linken und den Jusos begleiten den fzs schon seit seiner Gründung 1993. Die Jusos sehen den fzs als eine Interessenvertretung, die durch Lobbyarbeit die Hochschulpolitik beeinflussen soll. Ihre Gegenspieler dagegen möchten den fzs gerne für inhaltliche Debatten und zur Unterstützung von politischen Projekten benutzen. Außerdem wünschen sie sich mehr Geld für Aktionen an den Universitäten.

Seit einer Satzungsänderung im Jahr 2001 gewinnen die Jusos zunehmend an Einfluss. 2005 kam es deshalb schon einmal zu einer zu einer Austrittswelle. Rund 90 von insgesamt 345 Hochschulen sind seitdem noch Mitglied des fzs. Der Verband behauptet dennoch etwa eine Million StudentInnen zu vertreten.

Seit sechs Jahren gewinnen die Sozialdemokraten zunehmend an Einfluss

Neben den Konflikten über die Studiengebühren ist die finanzielle Unterstützung von Projekten an den Unis ein weiterer Streitpunkt. „Wir haben in Marburg eine Kampagne gegen sexuelle Belästigung an der Hochschule gemacht und dabei eng mit dem fzs zusammengearbeitet. Aber die Kosten beispielsweise für die Plakate wurden uns nicht rückerstattet“, moniert Asta-Chefin Schmelter. Dabei lebe der fzs von den Beiträgen der Mitglieder, die für jeden ihrer Studenten 50 Cent bezahlen.

Vom neuen Vorstand fühlen sich die Kritiker nun nicht mehr vertreten: zwei der vier Neugewählten sind Jusos, die anderen stehen der Organisation nahe. „Ich hoffe, dass der neue Vorstand jetzt schnell versucht, mit den Hochschulen zu sprechen, die aussteigen wollen“, meint Ex-Vorständler Bender. Das erste Treffen des neuen Vorstands ist allerdings erst im September. Dann dürfte es für Vermittlungsversuche schon zu spät sein.ANNEGRET NILL