Das Dilemma der Arbeitswelt

DEMOGRAPHIE Fast ein Drittel aller Beschäftigten 50 Jahre oder älter – Tendenz steigend. Obwohl diese Entwicklung vorhersehbar war, sind viele Betriebe und ihre Bedingungen nicht darauf vorbereitet

Im Land Bremen sind laut Arbeitnehmerkammer im Schnitt 17,2 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mindestens 55 Jahre alt.

■ Am niedrigsten ist die Quote im Tourismus, Hotel- und Gaststättengewerbe (7,8 Prozent) und bei den Umweltschutzberufen (9,5 Prozent). In Werbung, Marketing und Medien sind‘s 11,4 Prozent.

■ Deutlich über dem Schnitt liegen indes Reinigungsberufe (27,6 Prozent), die Sicherheitsbranche (24 Prozent) oder die Gebäude- und Versorgungstechnik (22,7 Prozent).  (taz)

In Bremen gibt es immer mehr ältere ArbeitnehmerInnen – aber die Integration in die Arbeitswelt nimmt mit steigendem Alter nach wie vor ab. Das geht aus dem jetzt veröffentlichten „Bericht zur sozialen Lage“ der Arbeitnehmerkammer hervor.

Derzeit ist fast ein Drittel aller Beschäftigten 50 oder älter – Tendenz steigend. Zwar ist die Beschäftigungsquote der 55- bis 59-Jährigen in den letzten Jahren gestiegen – 1999 waren es 40 Prozent, im vergangenen Jahr hingegen 54 Prozent. Doch unter den 60- bis 64-Jährigen sinkt die Quote dann auf ein knappes Drittel ab – dabei hat sie sich seit 1999 schon verdreifacht.

Die Beschäftigten sollen oder müssen also länger im Betrieb bleiben. Doch während das bei AkademikerInnen oft relativ gut geht, lassen die Bedingungen in Gesundheits-, Handwerks- und einfachen Dienstleistungsberufen das vielfach nicht zu. Wer hier arbeitet, trägt ein höheres Risiko, vorzeitig aufhören zu müssen. „Die Vorstellung, wir alle arbeiten 45 Jahre bis zum 67. Lebensjahr gesund und fit, ist realitätsfremd“, sagt Ingo Schierenbeck, Hauptgeschäftsführer der Arbeitnehmerkammer.

Besonders deutlich wird das Dilemma in der Krankenpflege: Bei gleich bleibender Entwicklung wird hier in gut fünf Jahren die größte Beschäftigungsgruppe zwischen 55 und 65 sein. „Der Beruf muss als demographisch alt gelten“, sagt Elke Heyduck, Geschäftsführerin der Arbeitnehmerkammer – und es fehlt an Nachwuchs. Doch zugleich tragen Frauen in der Pflege laut Arbeitnehmerkammer „das höchste Risiko“ für eine Erwerbsminderungsrente. „Nur noch wenige“ unter ihnen arbeiten in diesem physisch wie psychisch anstrengenden Beruf, wenn sie älter als 62 sind. Jedoch machen sich die Firmen zu wenig Gedanken, was längere Lebensarbeitszeiten für sie bedeuten. „Alle befragten Betriebs- und Personalräte konstatierten, dass es bislang „keinen systematischen Umgang“ mit dem demografischen Wandel im Betrieb gebe, so Schierenbeck.

Stark zu nimmt auch in Bremen die Zahl der arbeitenden RentnerInnen. So hat sich die Zahl der Beschäftigten, die älter als 65 sind, seit 2001 verdoppelt – sie liegt jetzt schon bei über 10.000. In den meisten Fällen geht es dabei um Minijobs, nur ein Viertel ist sozialversichert beschäftigt. Studien zufolge sind alte ArbeitnehmerInnen oft als Reinigungs- oder Bürokräfte, als Hausmeister oder im Lager tätig. Das lasse vermuten, dass „finanzielle Not“ ausschlaggebend für den Job sei, sagt Heyduck – „und das darf nicht sein“.  Jan Zier