Den Gegner fast nass gemacht

Das deutsche Wasserballnationalteam verpasst die direkte Qualifikation für Olympia denkbar knapp. Vor den Augen eines euphorischen Berliner Publikums verliert die Mannschaft mit 7:8 gegen Serbien – und präsentiert sich in Weltklasse-Form

VON ROBERT RIST

Hagen Stamm ist enttäuscht. Enttäuscht, aber zufrieden. „Diese Niederlage schmerzt doppelt. Wir waren so nah dran am Olympiaticket“, sagt der Berliner Trainer der Wasserball-Nationalmannschaft. Die verlor im Halbfinale des Weltliga-Finales am Samstag denkbar knapp mit 7:8 (1:4, 2:1, 2:1, 2:2) gegen den haushohen Favoriten Serbien. „Bei einem Sieg hätte ich zu meiner Frau und meinem Sohn nach Amerika fliegen können. Doch nun verpasse ich ihren 50. Geburtstag.“ Und: Der 47-jährige Stamm muss seine Mannschaft auf das nächste Olympiaqualifikationsturnier Anfang September im slowakischen Bratislava vorbereiten.

Dabei waren die Rahmenbedingungen in der Schwimm- und Sprunghalle im Europapark bestens. „Mehr als 1.300 verkaufte Tickets – von so vielen Zuschauern haben wir geträumt, aber nie und nimmer damit gerechnet. Das ist Wahnsinn“, jubelte Christian Hansmann, Verantwortlicher für die Pressearbeit der Wasserballer beim Deutschen Schwimmverband. Selbst kurz nach Beginn der Partie standen zahlreiche Zuschauer noch Schlange nach Plätzen. Doch das Warten lohnte sich: „So gut wie heute habe ich eine deutsche Mannschaft noch nie spielen sehen“, so Hansmann. Deutsch steht dabei fast gleichbedeutend für Berlin: 8 von 15 Spielern im Kader kommen aus der Stadt – auch ein Beweis für die drückende Überlegenheit der Berliner Teams bei nationalen Wettbewerben und in der Bundesliga. So hat Spandau in 29 Spielzeiten 27 Meistertitel errungen.

Das Spiel gegen Serbien begann wie erwartet: Angefeuert von einer Handvoll serbischer Schlachtenbummler, die mit lauten Trompeten ausgerüstet ordentlich Krach machen, zieht der amtierende Weltligagewinner im ersten Viertel auf 4:1 davon. Doch die deutschen Wasserballer lassen sich von der Außenseiterrolle nicht einschüchtern. Während des gesamten Spiels hat man das Gefühl, dass heute etwas für sie drin ist. In der Viertelpause erinnert der Hallensprecher durch das Einspielen der goldenen Handballer-Melodie der „Höhner“ die Zuschauer daran, dass in diesem Jahr auf deutschem Boden schon einmal Wunder geschehen sind.

Schnell verkürzen dann die Deutschen auf 3:5, unterstützt durch das frenetische Publikum. „Die Zuschauer waren überragend. Es fühlte sich an, als hätten wir einen achten Mann im Becken gehabt“, sagte Hagen Stamm anerkennend nach dem Spiel. Als nach zahlreichen Pfosten- und Lattentreffern der Ausgleich zum 5:5 fällt, kocht die Stimmung über. „Deutschland, Deutschland“-Rufe übertönen die bemitleidenswerten Fans aus Serbien.

Nach dem 5:5 geht es hin und her, um jeden Meter im Becken wird gekämpft. Ein packendes Spiel. Dass Serbien mit 7:5 davonzieht, beeindruckt die Deutschen wenig – sie kämpfen sich wieder ran. Gewitzt nutzt der Spandauer Lokalmatador Sören Mackeben eine Unachtsamkeit der Serben aus und bringt einen Freiwurf direkt im Tor zum 7:7 unter – zwei Minuten vor Spielende. Kein Zuschauer verharrt mehr auf seinem Sitz. Doch erneut gerät das Team in Rückstand, 7:8, und hat dann die Chance auf den Ausgleich. Lattentreffer. Fünf Sekunden sind noch zu spielen, die letzte Möglichkeit, doch der serbische Torwart vereitelt den Wurf. Aus. Vorbei.

Enttäuschte Deutsche steigen aus dem Becken, die Serben jubeln. Von den Rängen gibt es Applaus für die eindrucksvolle Darbietung beider Mannschaften. „Die Spannung war kaum auszuhalten“, sagt ein traurig dreinblickender Zuschauer und fügt hinzu: „Schade.“

„Dieses Spiel war eine tolle Werbung für den Wasserball“, fand denn auch Christian Hansmann. „Die Spieler sind durch die Anfeuerung des Publikums nicht durch das Wasser geschwommen, sondern geflogen. Die Berliner waren sagenhaft“, sagte Hagen Stamm. „Wir haben nicht damit gerechnet, so nah an Serbien heranzukommen“, sagte Moritz Oeler, Spieler von Spandau.

Ein gefasster Hagen Stamm beschloss diesen Wasserballabend: „Wir haben noch zwei Möglichkeiten auf Olympia, davon wollen wir eine nutzen.“ Das wünscht man ihm, sonst hätte er den 50. Geburtstag seiner Frau ganz umsonst verpasst.