Spätes Erwachsen

In „Nicht so schlimm“ erzählt Nicolas Fargues die Geschichte einer beziehungsunfähigen Generation

Autobiografisch sei sein fünfter Roman, sagt Nicolas Fargues in einem Interview. Autobiografisch, selbstreflexiv und vielleicht sogar exemplarisch für die heutige Generation der Endzwanziger. Beziehungsunfähigkeit ist nämlich ein Schlagwort, das gerne zur Beschreibung dieser Altersgruppe gebraucht wird. Und das auf Fargues zumindest lange Zeit zutraf.

„Nicht so schlimm“ handelt im Wesentlichen von einer früh gegründeten und schnell in die Brüche gegangenen Familie. Teils widersprüchlich und oft redundant wird dem Leser das Schicksal eines nicht zueinander passen wollenden Paares geschildert, das sich liebt und hasst. Die Erzählperspektive ist die des Ehemanns, der seine Geschichte möglichst neutral erzählen will, was aufgrund seiner starken emotionalen Involviertheit nicht funktionieren kann. Mitgerissen von einem Strudel aus Mitleid und Selbstmitleid, ist der Protagonist des Romans unfähig, sich aus seiner kaputten Ehe zu befreien. Er leidet unter den Launen seiner jähzornigen und gewaltbereiten Ehefrau, die ihn bei jeder sich bietenden Gelegenheit schikaniert. Dennoch empfindet er so etwas wie Liebe und sogar Mitleid für seine Frau, die ihn nicht lieben kann. Er fühlt sich schuldig. Hinzu kommt die Verantwortung für die gemeinsamen Kinder, die ihn lange Zeit von einer Trennung abhalten.

Oft genug kündigt der Protagonist an, er wolle etwas nicht erzählen oder seinem Kumpel gewisse Details ersparen, die er dann aber doch erzählt. Dabei werden dem Gegenüber dann und wann Zwischenfragen wie „Gehe ich dir auf die Nerven?“ oder „Was meinst du?“ gestellt. Dass der sich jedoch an keiner Stelle des Romans zu den beschriebenen Ereignissen äußern wird, ist bereits nach den ersten paar Seiten klar. So ist „Nicht so schlimm“ ein 180-seitiger und streckenweise zu sehr ins Detail gehender Monolog. Interessant ist weniger die Story selbst als vielmehr die Art und Weise, wie die Geschichte erzählt wird: In einem einzigen Wortschwall kotzt sich der Ehemann bei seinem Kumpel aus.

Fargues schreibt einen Gefühlsroman, erzählt aus der Perspektive eines Mannes. Er versteht es, einen Gedankenfluss scheinbar unredigiert aufs Papier zu bringen, was einerseits mühsam zu lesen ist, die Geschichte aber andererseits sehr authentisch erscheinen lässt. Es macht Spaß, „Nicht so schlimm“ zu lesen – besonders weil es einen ungeschönten Einblick in die Gedanken des Protagonisten gibt, gerade so, als würde man ein Tagebuch lesen.

Nach eigener Aussage erzählt der 1972 geborene Fargues in „Nicht so schlimm“ die Geschichte seines Erwachsenwerdens. Bei aller Gefühlsduselei und Selbstreflexion werden aber auch ernste Themen wie Rassismus aufgegriffen. Das geschieht zwangsläufig, denn der Protagonist ist hellhäutig, seine Frau dunkelhäutig. Anscheinend eines der vielen Probleme zwischen den beiden, denn nachdem sie mit einem Dunkelhäutigen fremdgegangen ist, betrügt er sie mit einer hellhäutigen Italienerin.

Der deutsche Titel hat nichts mit dem Originaltitel zu tun („J’étais derrière toi“, „Ich war hinter dir“). „Nicht so schlimm“ suggeriert, dass bei allem Chaos und Leid, das in dem Roman beschrieben wird, die Geschichte am Ende eine gute Wendung nimmt.

KERSTIN RUSKOWSKI

Nicolas Fargues: „Nicht so schlimm“. Rowohlt Verlag, Reinbek 2007, 192 Seiten, 16,90 Euro