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Das ist hart. Der neue Star der Fußball-Bundesliga, Bayern Münchens Franck Ribéry, geboren am 1. April 1983, ist jünger als ich. Die Karriere als Fußballprofi kann damit getrost abgehakt werden. Das muss erst mal verkraftet werden.

Währenddessen könnte Zeit sein, sich ein paar Gedanken zu machen. Existenzieller Natur; wenn schon, denn schon.

Zum Beispiel: Wo gehöre ich hin, jetzt, mit 25, da also die Geburtenjahrgänge der Bundesliga- und sonstiger Stars sich mehr und mehr von dem meinigen Geburtsjahr entfernen? Jetzt, da die Hits der ersten Partys bald schon Oldies sind? Jetzt, da Zukunft und Vergangenheit etwa gleich weit entfernt erscheinen und das Jetzt doch irgendwie auch nicht greifbar ist?

Die Angebotspalette der Generationenschubladen ist riesig: X, Golf, iCool, Praktikum, Milchkaffee, Y. Was denn nun? Die vermeintliche Rettung ist nur einen Knopfdruck weit entfernt, schon surrt der Rechner hoch. Vielleicht hilft ja Google. Oder Wikipedia. Oder am besten gleich beides. Zeitgemäß bedient im Mozilla Firefox. Den Internet Explorer von Microsoft-Lucifer Bill Gates nutze ich schon lange nicht mehr – Kapitalismus und Amerika und Bush und überhaupt, da mach ich nicht mit.

Zwei, drei Schlagworte, schon werde ich zu „TheUnidentified.net“ geschubst. Ein kurzes Quiz über mich selbst sagt mir, ich sei wie Brooke. „Brooke is a born leader set on changing the world.“ Ein geborener Anführer, dafür prädestiniert, die Welt zu verändern. Das klingt ja schon mal nicht schlecht. Die Welt verändern, wie das geht, weiß ich natürlich nicht. Die Einfallslosigkeit spült mich zurück in die mütterlich-verständnisvolle Eingabemaske der Suchmaschine.

D-i-e - W-e-l-t - v-e-r-ä-n-d-e-r-n – klick.

Genau 0,12 Sekunden später lande ich bei „Ökostromwechselpartys“. Das klingt nach meiner Generation. Party, klar, machten meine Eltern schon – auch wenn sie es Fete nannten. Aber Ökostrom, das war damals bestimmt noch nicht hip. Cool durch Klimaschutz, sind wir so? Kann schon sein. Als kürzlich LiveAid lief, hab ich aber schnell weitergezappt. Oder bin im Internet surfen gegangen, das weiß ich nicht mehr so genau – Medien fressen Gedächtnis auf.

Wahrscheinlich hab ich über die kostenlose Onlinekommunikationsplattform Skype mit jemandem über die lächerlichen LiveAid-Stars gelästert. Oder hab gleich eine Studiverzeichnisgruppe gegründet: „LiveAid ist jämmerlich“. Schließlich bin ich ordentlich vernetzt, Student 2.0. Kein Witz, wir sind alle drin. Im StudiVauZett, der anderen großgeredeten kostenlosen Kommunikationsplattform. Mit Vor- und Zuname, Lieblingstier, Partyschnappschuss und Lebenstraum. Für alle einsehbar. Wer nicht drin ist, der ist auch schon fast im normalen Leben draußen. Also heißt es: mitmachen. Nur: Immer mit der nötigen Distanz. Denn es liegt voll im Trend, gegen den Trend zu sein.

Aber zurück zur Rettung der Welt. Kann das Netz gar doch nicht helfen, hat es nicht auf alle Fragen eine Antwort?

Doch was tun? Ermüdet von der worldwide Freiheit schwenkt mein Blick auf den Altpapierkorb. Doch nicht etwa Zeitung lesen? Hat man das noch nicht abgeschafft? Noch nicht ganz, aber meine Generation hat gesiegt über Schirrmacher & Co. Wir haben ihnen den sprichwörtlichen Revolver auf die Brust gesetzt. Am Lauf baumelt ein Zettel mit der Nachricht: „Online first, sonst …“. Goodbye Altpapier, hello Datenmüll.

Aber sind wir mal nicht so. Testen kann ich es ja mal. Mich auf ein kostenloses Probeabo einlassen. Mit iPod oder Kugelgrill. Mit dem sollte man sich aber in der Öffentlichkeit nicht allzu oft sehen lassen. Generation Kugelgrill, das klingt nicht gerade sehr sexy.

BENJAMIN IMORT, Jahrgang 1982, macht gerade ein Praktikum beim taz.mag