Rot-Grün regiert weiter

SCHWEDEN Die vorgezogene Neuwahl findet nicht statt. Regierung und bürgerliche Opposition treffen ein Abkommen, um die Rechtsextremen zu isolieren

Regierungen, die ohne absolute Mehrheit gebildet werden, sind in Schweden üblich

AUS STOCKHOLM REINHARD WOLFF

Die für März in Schweden angekündigte vorgezogene Neuwahl wird es nun doch nicht geben. Die nach der regulären Parlamentswahl im September angetretene rot-grüne Regierung unter dem Sozialdemokraten Stefan Löfven bleibt im Amt und kann weiterregieren.

Dies ist das Resultat eines Übereinkommens zwischen den rot-grünen Regierungsparteien und den vier Parteien der bürgerlichen Opposition. Dies nimmt den rechtsextremen „Schwedendemokraten“ die Möglichkeit, als Sperrminorität zwischen den Parteiblöcken zu agieren: eine Taktik, zu der sie im Zuge der Regierungskrise und nach der Ankündigung von Neuwahlen gegriffen hatte.

Wie die sechs Parteivorsitzenden am Samstag in Stockholm auf einer gemeinsamen Pressekonferenz erläuterten, habe man sich „per Handschlag“ auf parlamentarische Regeln verständigt, damit das Land auch in Zukunft von Minderheitsregierungen geführt werden könne. Regierungen, die von der größten Partei oder dem größeren Parteiblock ohne absolute Mehrheit gebildet werden, sind in Schweden nahezu die Regel. Nur in acht der vergangenen 40 Jahre regierte in Stockholm eine Mehrheitsregierung.

Möglich war dies nur, weil Oppositionsparteien verschiedener Couleur in der Vergangenheit grundsätzlich darauf verzichteten, „negative Mehrheiten“ zu bilden, ohne tatsächlich miteinander regieren zu wollen. Beispielsweise schlossen sie sich nicht gegen eine Minderheitsregierung zusammen, um deren Budget oder andere zentrale Gesetzesvorhaben zu sabotieren.

Funktioniert hatte diese Übereinkunft bis zum Erstarken der ausländerfeindlichen „Schwedendemokraten“, die bei der Wahl im September mit knapp 13 Prozent drittstärkste Partei wurde. Im derzeitigen Parlament können sie aufgrund ihrer Stärke nun eine absolute Mehrheit von Rot-Grün, aber auch von den Mitte-Rechts-Parteien blockieren, andererseits aber jedem dieser Blöcke zu einer absoluten Mehrheit verhelfen. Dies nutzten sie Anfang Dezember aus und brachten die Regierung Löfven in die Situation, mit einem Haushalt der Opposition regieren zu müssen.

Mit ihrer „Verantwortung für Schweden“ begründeten alle Parteien, die hinter der jetzigen Vereinbarung stehen, ihre Garantie, eine Minderheitsregierung arbeiten zu lassen. So will man der Regierung über einen Nachtragshaushalt im April 2015 ermöglichen, die vorgesehenen Weichen für eine rot-grüne Politik zu stellen. Das jetzige Übereinkommen ändere im Übrigen in der Sache nichts an der Politik der Opposition, erklärten die bürgerlichen Parteivorsitzenden.

Offenbar musste Löfven politische Zugeständnisse machen, deren konkreter Inhalt noch nicht bekannt ist. So wurde betont, man habe sich in drei Bereichen mit der Opposition auf gemeinsame Grundlinien verständigt: in der Außen- und Sicherheitspolitik, der Renten- und der Energiepolitik. Letzteres könnte bedeuten, dass die Grünen Abstriche bei der Atompolitik machen müssen.

Die meisten Kommentare begrüßten, dass die schwedische Tradition einer Politik des Konsenses mit dem „Dezemberübereinkommen“ gesichert worden sei. Andere wiesen darauf hin, dass aufgrund dieses Deals die Popularität der „Schwedendemokraten“ zumindest kurzfristig weiter ansteigen werde, da sie sich jetzt als einzige „wahre“ Oppositionspartei darstellen könnten.

Eine Zusammenarbeit mit der Partei, die in der Neonazi-Szene wurzelt, eine extrem restriktive Flüchtlingspolitik fordert und immer wieder mit islamophoben und rassistischen Ausfällen aufwartet, lehnen alle anderen Parteien ab.