Zerbrechliches Tierglück

ABLASSHANDEL Die zwielichtigen Gnadenhöfe des Michael Aufhauser

Auf den Gnadenhöfen dienen die zur Schau gestellten Tiere bestenfalls als Staffage

Am gestrigen Dienstag stellte Michael Aufhauser, Begründer des österreichischen Tierschutzzentrums „Gut Aiderbichl“, sein neuestes Projekt vor: das „Affenrefugium Gänserndorf“ bei Wien. Der 59-jährige ehemalige Tourismusmanager, der mit seinem Aiderbichl-Konzept, notleidende Tiere aufzunehmen, um sie anschließend mitleidstouristisch zu vermarkten, mittlerweile ein Imperium von zwanzig „Gnadenhöfen“ in Österreich, Süddeutschland und der Schweiz aufgebaut hat, hat offenbar einen Nerv der Zeit getroffen: Ganze Busladungen vornehmlich älterer Herrschaften branden täglich allein über sein Stammhaus in Henndorf nahe Salzburg herein. Von mehr als hunderttausend Besuchern pro Jahr ist die Rede, die vor dem Schlachter gerettete Pferde, Kühe, Schweine, Gänse oder Hühner besichtigen und sich in Erbarmnis ergehen wollen.

Während allein Eintrittsgelder (geführte Tour 24 Euro), Restaurantbetriebe und der Verkauf von Merchandisingprodukten Millionenumsätze sichern, wird das wirklich große Geschäft mit Spenden und Patenschaften gemacht, die den Besuchern subtil, aber intensiv aufgedrängt werden: Nicht wenige überantworten „Aiderbichl“ ihren kompletten Nachlass. Und wofür? Für das gute Gefühl, das Aufhauser im Gegenzug offeriert, weniger schuld sein zu müssen an der gnadenlosen Unterdrückung und Ausbeutung von Tieren, die man durch das eigene Konsumverhalten mit verursacht. Als Mitglied der „Aiderbichl-Familie“ muss man das eigene Verhalten nicht reflektieren, verändern schon gar nicht: Es reicht, eine Gnadenhofspende abzudrücken – oder ganz aktuell: eine Patenschaft für Kuh „Yvonne“ zu übernehmen, die werbewirksam auf einen der Aiderbichl-Höfe verbracht wurde –, um sich weiterhin und ohne schlechtes Gewissen Cordon Bleu und Kalbsmedaillon schmecken lassen zu können. Zahllose „Promis“ machen es vor, von Uschi Glas bis DJ Ötzi, die sich alljährlich zu dem unsäglichen TV-Spektakel „Weihnachten auf Gut Aiderbichl“ einfinden. Selbst Larry Hagman, besser bekannt als J. R., ist begeisterter „Aiderbichler“

Während bei all dieser Ablasshandelei die zur Schau gestellten Tiere bestenfalls als Staffage dienen, scheint Aufhauser mit dem Gänserndorfer Affenrefugium anderes im Sinn zu haben. Erstmalig seit er vor gut zehn Jahren ins Gnadenhofgeschäft eingestiegen ist, scheint es ihm wirklich um „Hilfe für die gequälte Kreatur“ zu gehen und nicht um persönlichen Profit. Er übernahm vierzig Schimpansen aus einem aufgelassenen österreichischen Versuchslabor, die, jahrzehntelang gefangen gehalten in winzigen Käfigen, für völlig unsinnige Pharmaforschung missbraucht worden waren. Infiziert mit HIV oder Hepatitis, wären sie ohne Aufhausers Hilfe eingeschläfert worden. Mit Millionenaufwand wurde ein Schutzzentrum für die schwer traumatisierten Tiere geschaffen, das seinesgleichen sucht.

Ob Aufhauser sein Versprechen durchhält und die Schimpansen ihre verbleibende Lebenszeit unbehelligt und in Würde zubringen lässt, anstatt sie erneut, diesmal für den Rummel mit Tierschutztouristen, zu missbrauchen, wird die Zeit zeigen. Es steht zu hoffen.

COLIN GOLDNER