Heiles Pankow

Erschießen

Frisch gewaschene Wäsche flattert unbewacht an Leinen zwischen den Wohnblocks. Die Grünfläche, auf der die Kleider trocknen, ist zugänglich für jedermann. Hier geht so was, hier herrscht Ordnung. Der Müllplatz ist eingezäunt, und um Abfall zu entsorgen, braucht man einen Schlüssel. Das Schild weist an: „Einwurf Container Montag– Sonnabend 7–13 Uhr & 15–20 Uhr Sonn- & Feiertag Kein Einwurf!“ Das Schild ist nicht beschädigt und nicht beschmiert. „Tür schließen! 20 Uhr“, steht handgeschrieben am Hauseingang – über allem wacht verlässlich ein Hauswart.

Wir sind in Pankow, im Stadtteil Heinersdorf. Ein vietnamesischer Kramladen, ein Familienbetrieb, vertreibt Kleidung und Kurioses der Marke billig und Alkohol. Zwei Vietnamesen binden Blumensträuße nach den Geschmacksvorstellungen der Deutschen – oder dem, was sie dafür halten. Das sind die sichtbaren Ausländer im Kiez. Beim Einkaufen alte Menschen an Gehhilfen, alte Paare, die sich kennen. Lange nicht gesehen in dieser Dichte. Kein Lärm, kein Dreck, kein herumfliegender Müll. Sorgfältig gehegte Vorgärten, der feinste Kitsch aus Porzellan darin, Immergrünes, Geranien, Hortensien in Altrosa. Abends nach neun sind die Bürgersteige wie leer gefegt von Menschen, tagsüber eigentlich auch, weil alle schnurstracks zur S-Bahn laufen oder zum Supermarkt.

In dem traf ich neulich auf ein Paar, das aus dem Rahmen fiel. Schmuddelig, alkoholisiert waren sie, redeten Unsinn – zwei, die Nachschub dringend nötig hatten in Form von Schnaps. Als sie hinausgingen, sagte die junge sympathische Kassiererin zu mir statt des „Guten Abends“, auf den ich eingestellt war: „Die sollte man erschießen.“ GUNDA SWANTJE