Eine Schule kehrt zurück

Morgen wird die Grundschule der Jüdischen Gemeinde trotz vieler Probleme wiedereröffnet. Nach einem monatelangen Machtkampf scheint es, als käme die Gemeinde noch immer nicht zur Ruhe

Von Karin Christmann

„Kinderlachen hallt seit 28. August durch die Flure im Grindelhof 30. Denn zu diesem Zeitpunkt öffnete die Joseph-Carlebach-Schule wieder ihre Pforten.“ So heißt es im Rundschreiben der Jüdischen Gemeinde Hamburg für die Monate September und Oktober, das die Gemeindemitglieder schon vor rund einer Woche in ihren Briefkästen fanden. Ende letzter Woche schien es allerdings, als könnten diese Sätze voreilig geschrieben worden sein, denn die Wiedereröffnung der Grundschule der Gemeinde stand in Frage.

Die Probleme konnten mittlerweile gelöst werden und morgen wird mit einer Einschulungsfeier der Schulbetrieb wieder aufgenommen. Doch der Streit um die Schule ist auch der vorerst letzte Akt in einem monatelangen Kampf zwischen gegnerischen Lagern der Gemeinde.

Der Schulbehörde hatten bis zum vergangenen Freitag wichtige Unterlagen gefehlt, so die Liste aller Schüler und eine Zusammenstellung der Lehrer samt Nachweis ihrer Qualifikation. „Die Behörde tappte über Wochen im Dunkeln“, sagt Ruben Herzberg, der erst am Mittwochabend nach monatelangen internen Kämpfen zum neuen Vorsitzenden der Gemeinde gewählt wurde. Beim diesem Streit ging es unter anderem um den Vorwurf undurchsichtigen Finanzgebarens gegenüber dem nun abgewählten Vorstand unter seinem Vorsitzenden Andreas Wankum. Auch ein Nazi-Vergleich, den ein Gemeindemitglied mit Blick auf den alten Vorstand zog, erregte die Gemüter.

Der neue Vorstand habe innerhalb kürzester Zeit die Versäumnisse seiner Vorgänger aufarbeiten müssen, um so die Wiedereröffnung der Grundschule zu ermöglichen, sagte Herzberg nun. Sein wichtigster Widersacher ist sein Vorgänger Wankum, der auch für die CDU in der Bürgerschaft sitzt. Wankum hält die nun bekannt gewordenen Probleme um die Wiedereröffnung der Schule für „absurdes Theater“ seines Nachfolgers. „Das Glas war zu 95 Prozent voll“, weist Wankum den Vorwurf von sich, die Eröffnung sei ernsthaft gefährdet gewesen. In der Tat jedoch hätte der Schulbetrieb ohne die Unterlagen nicht beginnen können – und bis zur Einschulungsfeier morgen blieb dem neuen Vorstand nur wenig Zeit, alle Unterlagen in der Gemeindeverwaltung zu sammeln und zur Behörde zu schicken.

Die Joseph-Carlebach-Schule hatte bis zum Jahr 2005 schon einmal drei Jahre lang in Räumen an der Schäferkampsallee bestanden. Warum damals der Schulbetrieb aufgegeben wurde, ist zwischen den gegnerischen Lagern umstritten. Nun wird die Schule an einem historischen Ort wiedereröffnet: Im Juni zog die Jüdische Gemeinde in die Talmud-Tora-Schule am Grindelhof zurück, aus der sie 1939 von den Nationalsozialisten vertrieben worden war. Hier ist wieder Platz für Gemeindeverwaltung, Kindergarten und die Grundschule. „Es ist ein historischer Einschnitt, dass die Schule in den Grindelhof zurückkehrt“, sagt Ruben Herzberg. Ein gutes Dutzend Vorschüler und Erstklässler wird ab morgen gemeinsam unterrichtet.

Ob mit dem Amtsantritt des neuen Vorstands um Herzberg auch die Jüdische Gemeinde endlich wieder zur Ruhe kommt, ist noch unklar. Wankum nennt den neuen Vorstand „inkompetent, destruktiv und wahrheitsscheu“ und fordert schon jetzt entweder einen Rücktritt Herzbergs oder Neuwahlen. Ruben Herzberg hofft hingegen auf einen Neuanfang: „Ich will nicht zu viel Polemik über Herrn Wankum verbreiten“, sagt er. „Der neue Vorstand ist zur konstruktiven Zusammenarbeit mit allen Gruppierungen sehr bereit.“