Indianer bekommen ihr Land zurück

Der Zellstoffkonzern Aracruz, der auch den „Tempo“-Hersteller beliefert hat, muss enteignete Flächen zurückgeben

BERLIN taz ■ Niederlage für den umstrittenen Zellstoffkonzern Aracruz: Das Unternehmen muss mehr als 11.000 Hektar Land an die Tupinikim- und Guarani-Indianer in Brasilien zurückgeben. Das hat der brasilianische Justizminister Tarso Genro entschieden. Das Unternehmen, das auch den Zellstoff für die „Tempo“-Taschentücher von Procter & Gamble lieferte, hatte die Indianer in den 70er-Jahren von ihrem Land im Bundesstaat Espirito Santo vertrieben. Dort sollten Eukalyptus-Monokulturen angelegt werden.

Durch die Proteste von Umweltgruppen und brasilianischen Indianern sowie Aufrufe, die Marke „Tempo“ zu boykottieren, hat der Fall seit zwei Jahren auch in Europa für Aufsehen gesorgt. Gemeinsam mit den betroffenen Indianern hatten AktivistInnen der Umweltorganisation Robin Wood mehrfach ein Werk von Procter & Gamble in Neuss blockiert, wo der Zellstoff aus Brasilien zu Taschentüchern weiterverarbeitet wird.

Den Druck durch Umweltorganisationen auf Kunden wie Procter & Gamble habe Aracruz schon gespürt, ist sich Peter Gerhardt, Tropenwaldexperte von Robin Wood, sicher. Im März hat Procter & Gamble die Papiersparte mit den Marken Tempo, Bounty und Charmin an den als umweltbewusst geltenden schwedischen Konkurrenten SCA verkauft.

Aracruz hatte vor mehr als 35 Jahren insgesamt 18.000 Hektar Land für Eukalyptusplantagen besetzt und die Indianer von ihrem Land vertrieben. 7.000 Hektar wurden in den vergangenen Jahren durch private Verhandlungen zwischen Indianern und Aracruz schrittweise wieder zurückgeben. Durch das überraschende staatliche Dekret erhalten die Indigenen nun die restlichen 11.000 Hektar zurück. Der Weg für die Landrückgabe ist allerdings nur auf offiziellem Weg geebnet, abgeschlossen ist sie darum noch nicht. Unklar bleibt, wie die praktische Umsetzung der Rückgabe erfolgen wird. Die endgültige Entscheidung muss noch durch Brasiliens Präsidenten Lula da Silva bestätigt werden. Zudem fordert Aracruz eine hohe Entschädigung für die bestehenden Eukalyptusbäume. Die Regierung machte deutlich, kein Geld dafür zur Verfügung zu stellen.

„Die Vertreter der Konfliktparteien müssen sich jetzt an einen Tisch setzen und die Bedingungen aushandeln“, sagte Robin-Wood-Experte Gerhardt der taz. Die Umweltorganisation will den Verlauf weiterhin kritisch begleiten. Die Umweltschützer sehen die Entscheidung als Sieg über die einflussreiche brasilianische Zellstoff-Lobby. „Das ist ein ganz wichtiger Meilenstein für die betroffenen Indianer und macht Mut für weitere Konflikte“, sagte Gerhardt. Aracruz bleibt derweil in der Kritik: In anderen Regionen des Landes soll der Konzern noch ein Vielfaches an enteignetem Land besitzen.

Auf den Flächen, die an die Indianer zurückgehen, wurde der Tropenwald vollständig gerodet. Nach Einschätzung von Robin Wood wollen die Indigenen nun alte Dörfer wieder aufbauen, Landwirtschaft betreiben und dem Wald wieder Raum geben. Die ursprüngliche Vegetation ist allerdings nicht wiederherzustellen. CHRISTOPH PARNITZKE