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FLÜCHTLINGS-PROZESS

Die hochschwangere Mercy A. wacht nachts auf, sie verliert Fruchtwasser. Die Frau aus Ghana meldet sich auf der Krankenstation der Flüchtlingsunterkunft im mecklenburgischen Nostorf/Horst – wo sie untergebracht wurde, nachdem sie in Hamburg eine Duldung beantragt hatte. Aber sie wird nicht untersucht, sondern zurück in ihr Zimmer geschickt. Wenn sie keine Schmerzen habe, sollen die Krankenschwestern gesagt haben, könne man nichts für sie tun. Am nächsten Tag wird A. in eine andere Unterkunft verlegt – viereinhalb Stunden entfernt. Wieder einen Tag später bringt man sie in eine Klinik. Dort kommt ihr Kind tot zur Welt.

Der Fall aus dem Mai 2010 wurde am Donnerstag vor dem Schweriner Landgericht verhandelt: War das medizinische Personal in Nostorf für den Tod des Kindes verantwortlich? Ein Strafverfahren wegen unterlassener Hilfeleistung war 2010 eingestellt worden, weil kein schuldhaftes Verhalten nachgewiesen werden konnte. Damit wollte Mercy A. es nicht bewenden lassen. Sie verklagte das Land Mecklenburg-Vorpommern auf Schmerzensgeld. „Ich möchte den Leuten vor Gericht damit sagen, dass sie auf ausländische Menschen aufpassen sollen“, sagt sie, „damit keinem anderen Menschen sowas passiert wie mir.“

Die Sorge bleibt, dass in Sammelunterkünften wie der in Horst eben nicht gut auf die Menschen aufgepasst wird. Denn in der Geschiche von Mercy A. offenbart sich ein systematisches Problem der Flüchtlingsunterbringung: Da fehlen Dolmetscher, es mangelt an Personal und nicht zuletzt Fürsorge – und darum könnte so etwas wohl doch wieder passieren. Das Urteil plant das Gericht am 12. Februar zu verkünden.  ILK