„Party in my Pants“

POP „Girls“ – die Stockholmer Musikerin Beatrice Eli und ihr erstes Album, „Die Another Day“

„Wer nicht wie eine androgyne Butch-Lesbe aussieht, gilt automatisch als heterosexuell“

BEATRICE ELI

I see this girl on the TV / See this girl in the mall / I see pictures in my head of my head between her legs“, singt Beatrice Eli. Sie liegt auf dem Boden inmitten eines Kreises von Frauen, und diese tanzen synchron um sie herum, berühren und rahmen sie ein. „I’ve got the girls on my mind all the time“.

Die 27-jährige Stockholmer Newcomerin veröffentlicht mit ihrer Single „Girls“ die Lesbenhymne 2014 und wehrt sich auf ihrem Debütalbum, „Die Another Day“, gegen Zuschreibungen von Heterosexualität. Denn die Politisierung von Pop passiert bei ihr eher subtil und nebenbei.

Zufällig erscheinen auch die Vergleiche mit Katy Perrys „I Kissed A Girl“. Perry betont schließlich den hohen Stellenwert ihres Freundes und schließt ihr männliches Publikum mit ein. Perry performt zwar feminin und wird von sich rekelnden Frauen umgeben. Doch damit hören die Gemeinsamkeiten mit Eli auch schon auf. Denn Beatrice Eli erzählt nicht von Erlebnissen der Neugierde, sondern von ihrer Lebensrealität.

Eindeutig positioniert

„Wer nicht wie eine androgyne Butch-Lesbe aussieht, gilt automatisch als hetero- oder bisexuell. Deshalb ist es mir wichtig, mich klar und eindeutig zu positionieren, um falsche Zuschreibungen zu vermeiden“, sagt Beatrice im per Skype geführten Interview mit der taz.

Sie trägt den mittlerweile zu ihrem Markenzeichen gewordenen roten Lippenstift, sitzt auf der Couch ihrer Einzimmerwohnung und spielt mit ihren drei Ratten, benannt nach Pamela Anderson, Britney Spears und Sindy, der Billigversion von Barbie.

2012 veröffentlichte sie ihre Debüt-EP „It’s over“ und arbeitete dafür mit Schwedens Indie-Darling Kent zusammen. Bereits da begann der zweijährige Arbeitsprozess für ihr jetziges Debütalbum. Als es nahezu fertig war, fühlte es sich aber unvollständig an, sagt sie. Sie schrieb „Girls“ und gab so dem Werk das bislang fehlende Stück ihrer Identität – und somit auch ein Outing.

Liebe und Sex

Durch die zwölf Songs zieht sich ein klares Motiv, es geht um Liebe und Sex. Ihre Darstellung von Liebesbeziehungen ist sehr dunkel und erzählt von Schmerz, Ängsten und Gewalt. Und immer wieder von Körperlichkeit: „I get so wet when I look at you“, heißt es gleich zum Auftakt des ersten Tracks „Moment of Clarity“. Ihr weibliches und lesbisches Begehren formuliert sie über Tabuisierungen hinweg sehr explizit, so auch in ihrer Masturbationshymne „Party in my Pants“.

Morgens, abends, in der Mittagspause, in Gedanken an anderer Leute Freundin: Ununterbrochen fasst sie sich an und zelebriert das Fest in ihrer Unterhose. Zumal weibliche Autoerotik im Vergleich zur männlichen kaum Raum bekommt, ist diese lässige Thematisierung Zeugnis ihrer existenzialistischen Praxis.

Zu plakativ geht Beatrice Eli allerdings nicht zu Werke. Wer einen so privaten Zugang zur Musik hat, kann die politische Identität nicht ausradieren. Politisch ist auch die Tatsache, dass ihre Arbeit eine Empowerment-Strategie für Frauen ist. Auch das unterscheidet Eli von Perry. Sie performt nicht für den „Male Gaze“, den männlichen Blick, wie auch ihre Partnerin Silvana Imam, die schwedisch-syrische Rapperin, die parallel ihren Newcomer-Erfolg feiert. Beide sind in Schweden für diverse beste Acts des Jahres nominiert und auf den Covern der Zeitgeist-Magazine.

Liebesbeziehungen müssen nicht immer frustrierend und leidvoll sein. Das erlebt das Power-Couple nicht nur aktuell, sondern dazu bietet auch das Album Perspektiven. Songs wie „Girls“, „Equality“ und „I love you“ sprudeln vor Euphorie und positiven Gefühlen. Variiert wird nicht nur mit dem Anteil an Unbeschwertheit, sondern auch mit dem Sound. Das Klangspektrum von Beatrice Elis Stimme ist breit und überzeugt in Höhen wie in Tiefen. Auf instrumentaler Ebene vermischt sich die elektronische Grundlage mit Elementen aus Punk, Pop, Soul und minimalistischen Klavierballaden.

„Die Another Day“ klingt im ersten Moment sehr simpel, trägt beim zweiten Hinhören aber viel Fracht in sich. Der Titel ist ein Anklang an einen Song von Elis Idol Madonna sowie an einen James-Bond-Film. Diesen Stilbruch schafft sie gekonnt: Ihr Logo, ihre ineinandergehakten Initialen, erinnert an eine nach Word-Art erstellte Parodie auf Designersymbole. Auf ihrem Cover streckt sie sich in Top und Boybrief-Unterhosen aus und präsentiert nonchalant ihr Achselhaar.

Einerseits erinnert das an die Werbeposter des Mode-Labels American Apparel, andererseits geht Beatrice’ Ästhetik weit über das Image leicht bekleideter weißer, schlanker Frauen hinaus: Mit ihren langen Haaren, den dichten Augenbrauen, den Tattoos und dem knallroten Lippenstift sieht sie einschüchternd und stark aus. Sie verkörpert Femmeness, den queeren, angeeigneten Ausdruck von Femininität. Das wird nicht ständig erwähnt oder betont, es existiert, und das reicht. Eine Lücke der Repräsentation wird geschlossen: Feminine Lesben werden im Pop sichtbarer und ermächtigen sich durch ihre selbst gewählte Darstellung gegenseitig.

HENGAME YAGHOOBIFARAH

Beatrice Eli: „Die Another Day“ (Razzia Records/Family Tree Music)