Gen-Raps untergepflügt

Herkunft von gentechnisch verunreinigtem Saatgut ist noch immer unklar

BERLIN taz ■ Auch nach einer Woche ist noch unklar, woher das mit gentechnisch verändertem Mais verunreinigte Saatgut stammt, das bei einer Routinekontrolle des nordrhein-westfälischen Landwirtschaftsministeriums gefunden worden war (taz berichtete). Die Lippstädter Firma „Deutsche Saatveredelung“ (DSV), von der das beanstandete Saatgut stammen soll, wies die Schuld an der Verunreinigung von sich. „Von uns kann die nicht stammen“, sagte Vorstand Christoph Lüdecke. Das Unternehmen habe vier Proben von Labors untersuchen lassen; alle Ergebnisse seien negativ. Lüdecke fordert vom Land nun eine B-Probe. Er will alle Rechtsmittel ausschöpfen, um die Unschuld seiner Firma nachzuweisen.

Das NRW-Landwirtschaftsministerium hielt seinen Vorwurf hingegen aufrecht. „Das Ergebnis ist amtlich und gerichtsfest“, sagte Sprecherin Sabine Raddatz. Die Methodik sei anerkannt, eine neue Probe nicht notwendig. „Die Toleranzgrenze liegt bei 0, und mit 0,03 – wie von zwei Labors festgestellt – liegt das Saatgut darüber.“

Das beanstandete Saatgut ist zwar zurückgerufen worden, doch auf bis zu 1.500 Hektar dürfte es bereits ausgesät worden sein. Allein in Mecklenburg-Vorpommern sind 17 Betriebe betroffen. Das für Gentechnik zuständige Sozialministerium hat den „Umbruch“ der Saat angeordnet. „Es gibt eine Nulltoleranz für gentechnisch veränderte Organismen, die nicht zugelassen sind“, so Agrarminister Till Backhaus (SPD).

Raps hat eine hohe Vermehrungsrate: Pro Pflanze werden 500 Samen gebildet. Betroffen sind aber nicht nur Rapsbauern, sondern auch Millionen von Kleingärtnern: Raps kann direkt in artgleiche Kreuzblütler einkreuzen. Siegrid Herbst von der Interessengemeinschaft für gentechnikfreie Saatgutarbeit (IG Saatgut): „Da Raps ein enger Verwandter von Grünkohl, Brokkoli, Rosenkohl oder Wirsing ist, kann eine Auskreuzung nicht ausgeschlossen werden.“ Sogar Radieschen seien gefährdet. Rapssamen könne bis zu 15 Jahre keimfähig im Boden überdauern.

Entsprechend ernst nehmen die norddeutschen Agrarminister die Aussaaten. Nach einem Krisengespräch erklärten sie, die Bauern dürften nach dem Unterpflügen keinesfalls erneut Raps anbauen.

Unklar bleibt weiterhin, wie es zur Verunreinigung kommen konnte. Die Saatgutfirma arbeitet ausschließlich mit konventionellen Stoffen. DSV-Vorstand Lüdecke vermutet Freilandversuche mit GVO-Raps Anfang der 90er-Jahre. „Alle Versuche mit gentechnisch verändertem Raps müssen umgehend beendet werden“, fordert deshalb die IG Saatgut. Einer zum Beispiel wird derzeit in Groß Lüsewitz untersucht – in Mecklenburg. NICK REIMER