Wohnen ist keine Ware

WOHNEN Ein neues Bündnis will einen Volksentscheid, das den Senat zur Mietendeckelung zwingen soll. Vorbild ist das Volksbegehren gegen die Bebauung des Tempelhofer Feldes

Die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften sollen künftig gemeinnützig agieren

VON RAINER BALCEROWIAK

Noch agiert das Bündnis Mietenvolksentscheid weitgehend im Verborgenen. Doch in einigen Monaten wollen die Akteure beginnen, die Berliner Landespolitik aufzumischen. Ziel ist ein Volksentscheid, mit dem der Senat qua Gesetz verpflichtet werden soll, die Mieten sowohl in den öffentlichen Beständen als auch bei den Häusern, die aus der Mietpreisbindung des sozialen Wohnungsbaus fallen, zu deckeln. Ein kommunales Neubau- und Ankaufprogramm steht ebenfalls auf der Agenda.

Beteiligt sind derzeit Aktivisten der Initiative „THF 100“, die das erfolgreiche Volksbegehren gegen die Bebauung des Tempelhofer Feldes initiiert hatte, aus der „Kotti&Co“- Gruppe, dem Bündnis Sozialmieten und der Initiative Neuer Kommunaler Wohnungsbau (INKW). Unterstützung gibt es von Verwaltungsexperten und Juristen. In mehreren Arbeitsgruppen wurden seit August 2014 Eckpunkte für einen Gesetzentwurf zur Wohnraumversorgung in öffentlicher Hand erarbeitet. Ziel ist ein Volksentscheid, der zur nächsten Wahl des Berliner Abgeordnetenhaus im Herbst 2016 zur Abstimmung gestellt werden soll.

Auf einer halb öffentlichen Veranstaltung des Bündnisses in einer Neuköllner Kirche, an der rund 60 Vertreter von Mieter- und Sozialinitiativen aus verschiedenen Berliner Bezirken teilnahmen, wurde am Freitag allerdings deutlich, dass man bislang noch weit von einem gemeinsamen Vorgehen für ein Volksbegehren entfernt ist, da es grundlegende Differenzen über dessen Inhalte gibt. Einige Initiativen wenden sich gegen die Neubauförderung, da sie in ihren Kiezen gegen Verdichtung agieren. Für viele Aktivisten ist es auch ein Problem, dass die Spielräume für Volksbegehren äußerst begrenzt sind. Diese müssten sich auf ein eindeutig abgegrenztes Rechtsgebiet beziehen, das der Landesgesetzgebung unterliegt. Andernfalls habe man juristisch keine Chance, einen Volksentscheid durchzusetzen, erläuterte Rouzbeh Taheri von INKW. Daher könne man weder bundesrechtliche Fragen, wie die Kriterien des Mietspiegels und Mietobergrenzen, noch Landesangelegenheiten, die nicht per Gesetz, sondern per Verordnung geregelt werden, in das Volksbegehren aufnehmen. Letzteres betrifft auch ein Verbot der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen und Regelungen zur Wohnkostenübernahme von Hartz-IV-Empfängern.

Das Volksbegehren wird sich daher auf zwei Säulen beschränken. Zum einen sollen die sechs kommunalen Wohnungsbaugesellschaften, die knapp 300.000 Wohnungen verwalten, in eine Anstalt öffentlichen Rechts überführt werden und künftig gemeinnützig agieren. Ein Kapitalstock soll dafür sorgen, dass Mieten dauerhaft einkommensabhängig gedeckelt und neue Wohnungen gebaut werden, die auch für WBS-Berechtigte und Hartz-IV-Bezieher erschwinglich sind. Zudem sind Mitbestimmungsrechte für Mieter vorgesehen.

Mit der zweiten Säule des Gesetzes soll die Wohnungsbauförderung für private Bauherren an die langfristige Sozialbindung (50 Jahre) der neuen Wohnungen gebunden werden. Für Mieter in den 136.000 Wohnungen des alten Sozialen Wohnungsbaus, die nach Auslaufen der Sozialbindung von exorbitanten Mietsteigerungen bedroht sind, soll es eine „Brückenlösung“ geben, um den Wohnungsverlust zu verhindern. Ob auf dieser Grundlage eine Bewegung entsteht, die eine ähnliche Dynamik wie das Volksbegehren zu Tempelhof entwickelt, werden die Diskussionen in den Initiativen und Oppositionsparteien zeigen.