Der Babette-und-Berthold-Betrug

PROZESS Der Kunsthändler Helge Achenbach hat die Milliardärsfamilie Albrecht betrogen und muss 19,4 Millionen Euro Schadenersatz zahlen – der Auftritt der Aldi-Erbin Babette Albrecht sorgt für Aufsehen

ESSEN taz | Der Service war exklusiv: Der renommierte Experte persönlich brachte Werke von Oskar Kokoschka, Ernst Ludwig Kirchner oder Gerhard Richter unverbindlich zur Ansicht ins Haus und hängte sie an eine geeignete Wand. So fixte der renommierte Kunstvermittler Helge Achenbach den milliardenschweren Aldi-Erben Berthold Albrecht an, in teure Bilder zu investieren. Später brachte er eigens einen Flyer für die geplante „B & B Collection“ mit, die „Babette-und-Berthold-Sammlung“, die er für das vermögende Paar aufbauen wollte.

„Mein Mann fand ihn ausgesprochen nett, ich auch“, berichtet Babette Albrecht am Montag vor dem Landgericht Essen, vor dem Kunstexperte Achenbach wegen Betrugs angeklagt ist. Ihr Mann Berthold ist im November nach schwerer Krankheit 2012 gestorben. Heerscharen von Fotografen haben Babette Albrecht vor dem Gericht erwartet. Es gibt nicht viele Bilder von ihr. Ihre Familie hat mit einer Strafanzeige das Verfahren gegen Achenbach ins Rollen gebracht. Der Auftritt der Witwe vor Gericht zeigt, was die sonst so zurückgezogen lebende Frau antreibt: Enttäuschung und Wut über Achenbach und seine Helfer, die ihren kranken Mann mächtig abgezockt haben. „Sie waren wie Hyänen“, sagt sie.

Selbstbewusst ist die 54-Jährige in weißer Rüschenbluse, Jeans und dunkelblauem Blazer in den Gerichtssaal gekommen. Während der Zeugenvernehmung wirkt sie manchmal nervös. Ihrer Stimme ist die erlittene Kränkung noch immer anzuhören, wenn sie von „Vertrauensbruch“ spricht. Ihre Aussage wirft ein bezeichnendes Licht auf das Geschäftsmodell des einst hoch geachteten Kunstexperten: Achenbach suchte die Nähe zu Wohlhabenden, freundete sich mit ihnen an und zog sie dann mit gefälschten Rechnungen für in ihrem Auftrag erworbene Kunstwerke über den Tisch.

Edle alte Autos

Achenbach ist wegen Betrugs, Urkundenfälschung und Untreue angeklagt. Er soll 22,5 Millionen Euro in die eigene Tasche gewirtschaftet haben, als er für die Albrechts im großen Stil Kunstwerke und Oldtimer kaufte. Bei 14 Bildern und 9 alten Autos soll er die Milliardäre betrogen haben. Seit Juni sitzt Achenbach im Gefängnis. Der 62-Jährige hat gestanden, Rechnungen für Kunstwerke manipuliert zu haben. Den Betrug im Zusammenhang mit den Oldtimern bestreitet er.

Berthold Albrecht liebte edle alte Autos. Immer wieder machte Achenbach dem Milliardär, seinem angeblichen „Männerfreund“, weitere teure Gefährte schmackhaft. „Das ging Schlag auf Schlag“, sagt die Witwe. Viele Anschaffungen seien sinnlos gewesen, weil Berthold Albrecht die Wagen stets selbst fahren wollte.

Doch manche waren für den Zweimetermann schlicht zu klein. Selbst als Babette Albrecht Achenbach kurz vor dem Tod ihres Mannes darum bat, mit den Angeboten aufzuhören, tat er das nicht. Ohnehin war das Verhältnis zu diesem Zeitpunkt schon merklich abgekühlt. Die Albrechts fanden, dass sie genug Kunst gekauft hatten.

Kennengelernt hatten die Milliardäre das Ehepaar Achenbach bei Nachbarn. Was den Discount-Betreibern wie der Beginn einer Freundschaft erschien, war für Achenbach Kundenakquise. Eines Tages schlug der Geschäftsmann Berthold Albrecht vor, Kunstwerke zu kaufen. „Mein Mann wollte in Kunst investieren, weil die klassischen Zinsen bei der Bank wenig Rendite bringen“, sagt Babette Albrecht. Zwar habe die Familie schon einiges gehabt. „Aber ein paar Wände waren noch frei.“ Mehr als 100 Millionen Euro haben die Albrechts investiert. Achenbach warb für die Anschaffungen mit schlichten Argumenten: Weil die Kinder der Albrechts gerade in England waren, sollte Oskar Kokoschkas „London Tower Brigde“ angeschafft werden.

Für die Einkäufe habe Achenbach eine Provision von 5 Prozent gewollt, sagt die Witwe. Das fanden die Albrechts angemessen. „Es hieß, er kann den besten Preis für uns ergattern“, sagt sie. Selbst seien weder sie noch ihr Mann bei den Käufen in Erscheinung getreten. „Wir wollen doch keinen Albrecht-Aufschlag zahlen.“ Dass Achenbach einen Aufschlag auf Rechnungen schlug, war dem Paar nicht klar. Ihr Mann hätte das nicht gebilligt: „Mein Mann war Kaufmann.“

Empörung schwingt in ihrer Stimme mit, als sie von den Wertgutachten für die Bestimmung der Erbschaftssteuer berichtet – da waren Kunst und Oldtimer nur noch halb so viel wert. Achenbach wies stets darauf hin, dass den Albrechts kein Schaden entstanden sei, weil der Wert der von ihm beschafften Kunst erheblich gestiegen sei. Feststellen könnte die Witwe das nur durch einen Verkauf. Aber sie will die Objekte behalten.

Aufmerksam auf den Betrug wurde Babette Albrecht durch den Anruf eines Mitarbeiters der Berenberg-Bank. Die hatte Unregelmäßigkeiten bei Geschäften zwischen Achenbach und dem Pharmaunternehmer Christian Boehringer entdeckt – der hatte keine Strafanzeige erstattet.

Vor dem Landgericht Düsseldorf haben die Albrechts Achenbach in einem Zivilverfahren auf Schadenersatz verklagt. Am Dienstag entschied das Gericht, dass Achenbach 19,4 Millionen Euro zahlen muss. ANJA KRÜGER