Fall Nisman: Todesumstände bleiben unklar

ARGENTINIEN Nach der Autopsie heißt es, Sonderstaatsanwalt Nisman habe sich selbst erschossen. Nur: An seinen Händen finden sich keine Schmauchspuren. Die Regierung verbreitet die These vom Suizid

BUENOS AIRES taz | Der argentinische Sonderstaatsanwalt Alberto Nisman soll sich selbst in den Kopf geschossen haben. Die gerichtsmedizinische Untersuchung habe keine Hinweise auf Fremdeinwirkung ergeben, sagte die zuständige Staatsanwältin Viviana Fein am Montagabend. Am Dienstagmorgen bestätigte Fein jedoch, dass an den Händen des Toten keine Schmauchspuren gefunden wurden. Wie der Widerspruch zu erklären ist, blieb zunächst offen. Nisman war am Sonntag mit einer Schusswunde im Kopf in seiner Wohnung aufgefunden worden.

Die Regierung übernahm sofort die These vom Selbstmord. „Was war es, das einen Menschen zu der furchtbaren Entscheidung bringt, aus dem Leben zu scheiden?“, schrieb Präsidentin Cristina Kirchner am Montagabend auf Facebook. Es war die erste öffentliche Reaktion der Präsidentin, gegen die Nisman am vergangenen Mittwoch Anzeige erstattet hatte. Der Staatsanwalt hatte Kirchner eine „kriminelle Verschwörung“ vorgeworfen, um die Aufklärung des Anschlags auf das jüdische Gemeindezentrum Amia 1994 zu verhindern. Am Montag hatte er im Parlament dazu aussagen wollen.

An Suizid glaubt ein Großteil der Bevölkerung nicht. Montagabend gingen spontan mehrere Tausend Menschen in der Hauptstadt Buenos Aires und vor der Präsidentenresidenz in der Vorstadt Olivos auf die Straße. Einige trugen Plakate mit der Aufschrift „Wie alle sind Nisman – wollt ihr uns auch erschießen?“. Mit rhythmischem Klatschen und Kochtopfschlagen forderten sie Aufklärung über die Todesumstände des Staatsanwalts.

Nisman war 1997 zu den Ermittlungen des Amia-Anschlags im Jahr 1994 hinzugezogen worden. Bei dem Bombenanschlag wurden 85 Menschen getötet und etwa 300 verletzt. Seit 2004 leitete er als Sonderstaatsanwalt eine eigene Ermittlungsabteilung. JÜRGEN VOGT