Kreativer Protest gegen Nazis legitim

WIDERSTAND Das Oberlandesgericht in Celle billigt eine Blockadeaktion gegen einen Aufmarsch in Bad Nenndorf. Die Aktivisten hatten die Polizeisperren ausgetrickst und sich an einer Pyramide festgekettet

Über 2.000 Polizisten waren im Einsatz. Dennoch wurden die Aktivisten durchgewunken

Plötzlich stand die Betonpyramide in Bad Nenndorf mitten auf der Straße. Knapp hundert Meter vor dem Wincklerbad in der niedersächsischen Kurstadt, an dem Neonazis aufmarschieren wollten, hatte eine Antifa-Aktionsgruppe das Objekt platziert. Das Oberlandesgericht Celle entschied nun, dass das Aufstellen der Pyramide und die damit verbundene Sitzblockade als „Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung“ legitim war.

„Ein wichtiges Urteil“, sagt Helge Limburg von der grünen Landtagsfraktion. Das Gericht habe sich mit „erstaunlicher Deutlichkeit“ geäußert. „Die Teilnehmer wollten damit ihren Widerstand gegen den rechtsextremen Aufzug zum Ausdruck bringen“, heißt es in dem Beschluss. Und zwei Seiten weiter wird erklärt: „Vor diesem Hintergrund stellt sich die Pyramideaktion nicht als verwerflich dar.“

Zu dem Verfahren war es gekommen, weil die Antifaschisten die Gewahrsamnahme nach ihrer Aktion im Jahr 2010 angefochten hatten – mit Erfolg. Gegen die Entscheidung legte die Polizeidirektion Göttingen Beschwerde ein. Das Oberlandgericht stellt nun aber ebenfalls klar, das die gewaltfreie Aktion keine Gewahrsamnahme rechtfertigte.

Den Coup hatten die vier Männer im Alter von 23 bis 45 Jahren gut vorbereitet, und so gelang ihnen am 14. August 2010, was eigentlich unmöglich sein sollte: Über 2.000 Polizisten waren im Einsatz, unzählige Polizeigitter aufgestellt, um den Protest von der Neonazi-Marschroute fern zu halten. Dennoch wurden die Aktivisten durchgewunken – sie fuhren in einem blauen Kleinbus, auf dessen Anhänger Absperrgitter geladen waren. Weil zudem hinter der Windschutzscheibe eine Ausgabe von Polizei heute und ein Papierschild mit einen Fantasiewappen platziert waren, schöpften die Beamten keinen Verdacht.

Als hilfreich erwies sich auch, dass die Aktivisten mit dunkler Kappe, schwarzem T-Shirt und grüner Hose ähnlich gekleidet waren wie Polizeibeamte, die bei Einsätzen hinter den Linien arbeiten. Auf der Demonstrationsroute ließen sie die Pyramide auf die Straße fallen und fesselten sich an ihr. „Wir haben viel Zeit mitgebrachte“, sagte einer von ihnen der taz. Ein höherer Polizeibeamter zollte „Respekt“.

„Die Polizei sollte das Urteil, gerade auch in Hinblick auf die kommenden Demonstrationen und Aufmärsche sehr genau lesen“, sagt Grünen-Politiker Limburg. ANDREAS SPEIT