Pro Status quo!

Ein Plädoyer gegen die Aufweichung und Karnevalisierung der bipolaren Geschlechterordnung

VON TANJA KRIENEN

Laut Gendertheorie ist das, was gemeinhin als männlich und weiblich angesehen wird, kein angeborenes Verhalten, sondern das Produkt eines sozialen und kulturellen Prozesses. Die bipolare Geschlechterordnung gilt nicht, jedem steht eine schier endlose Menge an Nuancen zwischen Mann und Frau zur Verfügung, aus der nach Belieben gewählt werden kann – immer wieder, immer anders.

Im Sinne konsequent lebender Transsexueller aber, also derjenigen, die den Weg vom Ursprungsgeschlecht zum anderen bereits erfolgreich hinter sich gebracht haben, kann dieser Dekonstruktivismus nicht sein. Als vereinnahmend, und damit herabwürdigend, stellt sich diese Aufweichung dar. Die Normalität, die in diesem Fall einen Fortschritt bedeutet, ginge durch die Aufweichung im nicht selten schrillen, expressiven und exhibitionistischen Lager des „Alles geht“-Prinzips unter. Transexuelle fänden sich demnach, wie in den Siebzigerjahren, wieder zusammen in der Kategorie des dritten Geschlechts. Wer Transsexuelle aber zu einem dritten Geschlecht erklärt, der nimmt ihnen ihr zweites, ihr angenommenes.

Auf feste Kriterien zur Bestimmung von Geschlecht und Rolle verzichtet die Genderideologie nämlich weitgehend. Stattdessen präsentiert sie immer neue Selbstbestimmungskonstrukte und entzieht sich einer Kategorisierung gänzlich. Im Vordergrund steht für sie das subjektive Interesse, ein Interesse, das heute dieses und morgen jenes verlangen kann. Die Ernsthaftigkeit derer, die konsequent im anderen Geschlecht leben wollen, muss hinter dem Spiel mit Identitäten und sexuellen Fantasien zurücktreten. Die Rede soll im Folgenden hauptsächlich von der Gruppe der Mann-zu-Frau-Transsexuellen sein.

Typisch für diese Diffusität ist auch das Wortkonstrukt „transident“. Infolge falscher Selbstbestimmung, bei der man sich in die Gruppe der Transidenten einreiht, so wie es einem genehm erscheint, kommt es zu einer Größenordnung dieser Gemeinde von deutlich über hunderttausend Personen – so einfach wird man zum Massenphänomen. Differenziert und kategorisiert wird nicht.

Dieses „trans“ meint immer etwas Veränderliches, über, hinter oder durch. Ein Transfer überführt, ein Transformator wandelt um, und durch einen Transport befördert man X von A nach B. Niemand, um einmal dieses plastische Beispiel zu nehmen, redet von einem Transport, wenn das Möbelstück zwar zur Überführung bereitsteht, aber dann doch nicht bewegt wird. „Identisch“ bedeutet „übereinstimmend“, „gleich“, aber womit?

Die Transidenten postulieren also einen Identitätswechsel. Vor der wirklichen Vollendung der Geschlechtsänderung und Neuwerdung fremdeln sie. Demnach bildet sich ein Zirkel Identitätsverunsicherter, seelisch Zerrissener, eine neue Kategorie ohne eine präzise Definition ihrer konkurrierenden Variante.

Die Betreffenden wissen, dass sie einer klassischen Abbildung transsexueller Psyche und Physis nicht entsprechen, entdecken den Ausgang in das „Transidentische“ und ordnen sich unter den Obergriff der „Transgender“ ein. Die hohe Zahl der Abbrüche auf dem Weg ins andere Geschlecht, aber auch die nicht unbedeutende Menge der später Bereuenden (inklusive der vielen Selbsttötungen), weisen auf eine eher zu geringe Prüfung der Kandidaten hin.

Psychologen, die diese Kandidaten zwingend begutachten müssen, sehen sich mitunter Aggressionen gegenüber. Oder die Probanden tauchen nur bei ihnen im „Wahlgeschlecht“ auf, verbleiben bis zur Operation aber im alten Geschlecht – der Einfachheit halber. Was dieser unumkehrbare Eingriff bedeutet, erahnen sie nicht. In der Folge „begleiten“ einige Psychologen und Psychologinnen nur ideologisch Motivierte, statt ihnen, so wie es ihre Pflicht wäre, begründet zu widersprechen.

Nicht zwingend ändert sich auch das geschlechtsspezifische Sexualverhalten der Transidenten. Sie gehen als „lesbisch“ apostrophiert oder als Asexuelle durch, eine semantische Alternative zum Transsexuellen, die in ihrer Vieldeutigkeit die Angst vor der endgültigen Entscheidung kaschieren soll, die ja keine Umkehr zum Ursprungsgeschlecht erlaubt.

Auch in der Beziehungsfrage zeigt sich eine Kluft. Nur wenige, selbst der konsequent lebenden Transsexuellen, gehen Beziehungen ein, wie sie zur Norm des neuen Geschlechts gehören. Die weibliche Hingabe (wie meist ist hier von den sich offiziell als Mann-zu-Frau-Transsexuellen Gerierenden die Rede) findet nicht statt, weil eine Blockade wirkt, deren Ursache in der Beibehaltung der Angst des Mannes vor der Lust des Mannes ist. Man(n) ist nicht auf der anderen Seite angekommen, sieht sich noch immer in einem Mann-Mann-Verhältnis und kann der Zuneigung eines Mannes nicht nachgeben.

Die Hilfsbrücke mancher ähnlich gearteter Personen besteht darin, dass sie sich mit einem Frau-zu-Mann-Transsexuellen liieren. Da diese körperlich ihr neues Geschlecht ohnehin nicht wirklich ausfüllen können und das oft ebenfalls nicht wollen, haben sie nun ihr immerwährendes Objekt, nämlich die Frau, in einer maskulineren Variante und müssen auch selber körperlich nicht zur Frau „degenerieren“, denn: Die weibliche Sexualität ist nach ihren Vorstellungen ja nie angemessen selbstbestimmend, geschweige denn lustvoll oder emotional erträglich.

Die Erfahrung lässt keinen anderen Schluss zu, als dass sich Transsexuelle, die ein ihrem Geschlecht entsprechendes Sexualverhalten leben, in einer absoluten Minderheit von schätzungsweise dreißig Prozent befinden.

Das Kuriosum wäre also komplett, wenn der Gesetzgeber nun die Vorschläge zur Änderung des Transsexuellengesetzes annähme und den hanebüchenen Geschlechtskonstrukten zu uneingeschränkter Anerkennung verhelfen würde. So wäre ja die Änderung des Geschlechts, verbunden mit Unfruchtbarkeit, nicht mehr vonnöten, um einen neuen Eintrag im Pass zu erhalten. Theoretisch könnte nun der körperlich als „Frau“ lebende und weiterhin über die Möglichkeit der Zeugung verfügende Mann (nach kurzer Absetzung der Hormone ist dies kein Problem), dem „Mann“, also der biologischen Frau, falls sie noch immer über eine Gebärmutter verfügt, zur Schwangerschaft verhelfen.

Ursprünglich für „genuine Transsexuelle“ im Gesetz eingerichtete Möglichkeiten zur Änderung des bei der Geburt festgelegten Geschlechts werden durch die schier endlosen Erweiterungen vorgeblicher Merkmale ins Uferlose ausgedehnt und oftmals von den Trägern jener verwegenen Ideologie, als frivol-laxes Spiel, mediengerecht vermarktet. Aus einem sehr privaten, sehr tiefen Leiden wird so nicht selten giggelige Flapserei, mit inszeniertem, exhibitionistischem Klamauk unter der bunten Fahne.

Kann es jedoch angeborenes „gegengeschlechtliches“ Verhalten bzw. tatsächliches Leben im „entgegengesetzten“ Geschlecht geben? Die Frage ist tendenziell und vorsichtig zu bejahen, doch diese Veranlagung kann sich nicht vor der Pubertät definitiv manifestieren. Kein Mensch kann einen Zustand ablehnen, bevor er ihn nicht wirklich kennengelernt hat. So kann auch kein Kind ein endgültiges Urteil über sein Befinden in der Geschlechterrolle abgeben, solange es nicht die entscheidenden Phasen durchlebte.

Prinzipiell gibt es eine „natürliche Zweigeschlechtlichkeit“ schon. Bei etwa jeder fünftausendsten Geburt treten Abweichungen (manche jedoch nur sehr geringen Grades) an den Geschlechtsorganen auf, darunter fallen auch unbestritten die natürlich-zweigeschlechtlichen Menschen (Intersexuelle) verschiedenster Stufen. Aber auch bei diesen extrem wenigen wirklichen Hermaphroditen, handelt es sich ja nicht um Transsexuelle. Anmaßende Versuche der „Transgender“ durch Negierung unzweifelhaft vorhandener und tatsächlich existierender Geschlechtsunterschiede reale Fakten aus ideologischen Gründen zu verschleiern, ja geradezu die Abnormität zu heroisieren, führen zu einer weiteren, bewusst kalkulierten Verwirrung.

Transgenderideologen leugnen jedwede natürlich vorhandenen Geschlechtsunterschiede und verkrampfen ihre Behauptung zur These, die Geschlechter seien nichts als soziale Konstrukte. Abseits biologischer, genetischer und psychologischer Fakten wird so eine Ideologie erfunden, um extremsten Subjektivismus und Leugnungen am Rande von Wahnvorstellungen zu ihrer Inszenierung zu verhelfen. Esoterik statt Wissenschaft wird zur Leitlinie. Viele der „MzF-Transidenten“ wollen „schon immer ein Mädchen“ gewesen und so zur Welt gekommen sein. Transsexualität sei demnach ein körperliches, kein psychologisches Leiden, behaupten sie.

Eine erdrückende Mehrheit der „Transidenten“ klagt bekanntlich über den „falschen Körper“ und sie liegen damit nicht zufällig richtig, sind doch die morphologischen Defizite oftmals erheblich. Sprächen diese Personen nur von sich und über falsche Geschlechtsorgane, wäre es tragisch und das Letztere zu ändern, doch ein männlicher Körper bleibt falsch und verändert sich nur bedingt durch eine äußere Operation! Da viele aber kaum Wert auf die Herausbildung weiblicher Formen legen oder gar die „geschlechtsangleichende Operation“ ablehnen, bleibt die Phrase vom „falschen Körper“ eine Ausrede. Wirkliche Transsexualität entwickelt sich jedoch aus der raren Konvergenz von adäquater femininer Konstitution, emotioneller, sensitiver Disposition und präpubertären psychosozialen Impulsen. Selten jedoch war ein Junge ein Mädchen, so wie ein Mädchen ein Mädchen ist!

Auf der Faschingsparty in Frauenkleidern zu erscheinen und sich dabei gut zu fühlen sagt über die wirkliche sexuelle Identität im Zweifelsfall nichts aus. Für eine Transsexuelle kann jedoch nur, selbstachtend, der Anspruch, dem nicht ursprünglichen Geschlecht konsequent anzugehören, mit dem Ziel höchstmöglicher „Normalität“ angestrebt werden. Sollte etwa eine Transsexuelle klaglos den ihr zugewiesenen Platz „in der Szene“ einnehmen und sich vielleicht einmal im Jahr, bei der Christopher-Street-Day-Parade, an der Fortsetzung des Karnevals mit anderen Mitteln beteiligen und dem belustigten Publikum den Paradiesvogel zeigen?

Ratsam erscheint das nicht. Die Rolle als Narr lässt diesen nicht in der Gesellschaft ankommen, sondern bestenfalls in der geduldeten Nische verbleiben. Die Flucht jedoch in großstädtische Sexualghettos und in die warme Stube der „Gleichgesinnten“ ist ein Zeichen der nicht erfolgten Anpassung, die auch nicht mit der Zementierung weiterer absurd anmutender, willkürlicher Definitionen erreicht werden wird.

Im Gegenteil. Einer wachsamen Beobachterin wird, sofern die Transsexuelle als solche zu erkennen oder bekannt ist, die veränderte, teils respektlose, teils zugespitzt handelnde, immer aber streng beobachtende Umgebung auffallen. Keiner selbstbewusst lebenden Transsexuellen wird ein Mitleidsbonus eingeräumt. Sie wird als eindeutig lebendes, sexualisiertes und feminines Wesen von verunsicherten Männern gefürchtet und bisweilen von Frauen wegen ihrer Weiblichkeit gehasst. Anerkennung findet sie nur, in jedenfalls glaubwürdiger Form, bei latent bisexuellen, libertären oder irgendwie unwissenden Männern.

Es wäre fatal für konsequent und dem Recht entsprechend lebende Transsexuelle, wenn sie einem Verzicht auf Differenzierung zum Opfer fielen. Sie brauchen die bipolare Geschlechterordnung so sehr wie der erdrückend große Rest der Bevölkerung.

Sie sind nicht identisch mit jenen, die sich äußerlich nicht von ihrem Geburtsgeschlecht fortbewegen. Durch Freakauftritte in Talkshows und Boulevardmedien schon genug strapaziert, wird der normale Alltag noch mehr zum unerreichbaren Raum. Dort stattfindende Diskriminierungen werden kaum benannt, da die Lust an der Darstellung überwiegt. Und schon gibt es Krankenkassen, die Transsexuellen Operationen mit dem Hinweis verweigern, dass eine Geschlechtsangleichung – laut Aussage der „Betroffenen“ – ja nicht unbedingt zum notwendigen Standard gehören müsse.

Die Aufhebung der Kriterien für Transsexualität im Zuge einer Esoterisierung der Wissenschaften schafft nicht die Erscheinungen der Transsexualität ab, bildet jedoch das endgültige Verdikt über jene Abweichungen, die selbst von Eingeweihten Missachtung durch den Verzicht auf Differenzierung erfahren. Dazu gehören auch die Negierung der Ursachen und die damit verbundene Reproduktion des gleichen Krankheitsbildes.

Die primär psychische Krankheit Transsexualität mutet in ihrer konkreten Daseinsform den außenstehenden Menschen schon mancherlei zu, sie mutiert zum beliebigen, aber, wenn überhaupt, nur in einer Parallelwelt akzeptierten Event, wenn das, was extreme Kräfte wollen, die nicht an Transsexualität, sondern an anderen Störungen leiden, als allgemein gültige Definition verbindlich festgeschrieben wird.

TANJA KRIENEN, Jahrgang 1957, stammt aus Westfalen. Die konsequent lebende Transsexuelle engagiert sich seit Jahren für eine ernsthafte Auseinandersetzung mit diesem Thema