Tot im Mainstream

ÖKOLOGIE Der Historiker Frank Uekötter sieht die Umweltbewegung in einer starken Krise

VON FELIX EKARDT

Macht und Ohnmacht des Umweltschutzes, das Klagen über seine zu geringe Wirksamkeit oder umgekehrt die Forderung seiner Zurückdrängung sind seit 40 Jahren ein zentraler Gegenstand von Politik. Kein Wunder, geht es doch speziell mit dem Klimawandel um die Zukunft von Welternährung, Wasserversorgung, Weltfrieden und das Vermeiden drastischer ökonomischer Verwerfungen.

Das neue, flott geschriebene Buch des Umwelthistorikers Frank Uekötter „Am Ende der Gewissheiten“ analysiert auf der Basis eines breiten historischen Rückgriffs den aktuellen Zustand der Umweltbewegung und fokussiert dabei ihre vom Autor wahrgenommene Krise. „Umweltbewegung“ wird dabei weit verstanden: Gemeint sind einerseits die Umweltverbände und die Zivilgesellschaft, andererseits aber auch Umweltbehörden oder Ministerien, letztlich alle, die den Umweltschutz vorantreiben wollen.

Umweltschutz sei rein verbal zunehmend Mainstream, doch inhaltlich trete er, so Uekötter, seit Längerem auf der Stelle, auch wenn Europa insgesamt eine Vorreiterstellung habe. Speziell die globale Umweltpolitik etwa bei Klima- und Artenschutz hält Uekötter weitgehend für gescheitert. Verantwortlich dafür macht Uekötter teilweise die Ökos selbst. Diese seien beispielsweise oft zu stur und hielten an einmal eingeschlagenen, aber erfolglosen Wegen fest. Etwa an den ergebnislosen globalen Klimaverhandlungen, statt auf kleinteiligere Lösungen zu schauen. Ferner schauten sie oft zu einseitig auf einzelne Großthemen wie den Klimawandel und seien dort zu sehr auf Langfristziele statt auf konkrete Maßnahmen hier und heute fokussiert.

Zudem gäbe es bei den Ökos oft einen ausgeprägten Dogmatismus, der flexibles Argumentieren und Überzeugen erschweren würde. Letzteres ist in der Tat ein Problem, denn der Negativfokus auf einzelne Negativtechnologien wie Atom- oder Gentechnik kann in der Tat von wichtigeren Fragen ablenken. Auch generell können Umweltprobleme auf Dauer nur gelöst werden, wenn man komplexe Zusammenhänge und Abwägungen bewältigt und nicht in hemdsärmeligen Aktivismus an der Stelle verfällt, wo zufällig gerade die meiste Medienaufmerksamkeit herrscht.

Dabei ist die Umweltsituation von den reinen Fakten her sogar fataler, als Uekötter meint: Ein Klimaschutz-Vorreiter war die EU zum Beispiel immer nur verbal. Die Pro-Kopf-Emissionen betragen in Europa nach wie vor das Zehnfache des dauerhaft global verträglichen Maßes. Und auch die 25 % Klimagas-Emissions-Reduktionen seit 1990 sind ein Fake: Es wurden im Wesentlichen einfach nur die Umweltschäden der Produktion unserer Konsumgüter zunehmend ins Ausland verlagert. Bei Luft- und Wasserschadstoffen gilt übrigens oft das Gleiche.

In vielen Punkten überzeugt die von Uekötter insinuierte Generalkritik der Umweltbewegung freilich nicht. So hapert es ganz sicher nicht am Umweltwissen, sondern eher an sozialen Lernprozessen und an wirksamer – und nicht nur symbolischer – Umweltpolitik.

Auch wie Uekötter mit konkreten nationalstaatlichen Regulierungen für einzelne Produkte und Anlagen etwa den globalen Klimawandel verhindern möchte, bleibt unklar. Besonders wenn die Staaten sich auch noch einen Dumpingwettlauf um die billigste, am Ende für die Menschheit aber teuerste, nämlich existenzbedrohende Klimapolitik zu liefern drohen. Zudem übergeht Uekötter, dass die von ihm und teilweise auch von der europäischen Politik goutierte klassische Umweltpolitik mit einzelnen Verboten beim Klima- und Ressourcenproblem scheitert. Denn wenn man für einzelne Autos weniger Klimagase oder für einzelne Wohnungen mehr Wärmedämmung vorschreibt, läuft das oft ins Leere. Entweder wird das unübersichtliche Normengestrüpp gar nicht erst vollzogen. Zudem ist eine Klimagasreduktion pro Wohnung witzlos, wenn gleichzeitig die Wohnungen immer größer werden. Oder wenn jemand mit den ersparten Heizkosten einfach mal klimaschädlich nach Teneriffa fliegt.

Verhindern könnten wir all das nur durch einen weltweiten oder zum Einstieg wenigstens EU-weiten – hohen – Preis für den Ausstoß von Klimagasen. Oder wir werden scheitern, und lich nach Teneriffa fliegt.

Verhindern könnten wir all das nur durch einen weltweiten oder zum Einstieg wenigstens EU-weiten – hohen – Preis für den Ausstoß von Klimagasen. Oder wir werden scheitern, und

zwar mit drastischen Folgen.

Trotz alledem wünscht man sich, dass viele Uekötters Buch lesen. Denn als Provokation hilfreich und zudem unterhaltsam ist es allemal.

Frank Uekötter: „Am Ende der Gewissheiten. Die ökologische Frage im 21. Jahrhundert“. Campus Verlag, Frankfurt/M. 2011, 301 Seiten, 24,90 Euro