„Sie erwarten Einladungen“

PR-BRANCHE Ein Insider über das Ködern von Journalisten und Bloggern – und die stille Übereinkunft, dass letztlich eine Hand die andere wäscht. Die Grenze zwischen Journalismus und PR sei schon längst verwischt, findet er, eine strikte Trennung „realitätsfern“

„Sportjournalisten geben doch hoffentlich ihr kritisches, waches Denken nicht in der ersten Klasse von Qatar Airways ab“

Anruf bei Klaus Wächter, früher Journalist, heute PR-Mann im Kunst- und Eventbereich. Es geht um die Einladung von 680 Sportjournalisten ins zahlungskräftige und mediengeile Katar zur Handball-Weltmeisterschaft. Wächter sagt im Gespräch mit der taz: „Alle betonen die Trennung von Journalismus und PR, aber die Übergänge sind doch überall fließend. Egal wo.“ Die Aufregung im aktuellen Fall empfindet er als „Heuchelei“. Und weiter: „Deshalb können die Sportjournalisten doch trotzdem kritisch über die Handball-WM berichten“, findet Wächter. Dass sich Katar dadurch von seiner besten Seite zeigt und für die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 empfiehlt, findet er völlig legitim: „Das sind doch alles gestandene Sportjournalisten. Die geben doch hoffentlich ihr kritisches, waches Denken nicht in der ersten Klasse von Qatar Airways ab.“

Wächter möchte nicht mit seinem Namen in der Zeitung erscheinen: „Da gibt es große Empfindlichkeiten auf beiden Seiten“, begründet er diesen Wunsch nach Anonymisierung. „Das fängt doch ganz klein an: Da wird nur der erlauchte Kreis zur Filmpremiere eingeladen, zur Pressekonferenz oder zum inoffiziellen Meeting. Hier beginnt schon die Kungelei, die Gefälligkeit. Ob in Politik, Kultur, Wirtschaft oder bei den NGOs.“ Wie man mit dieser Kontaktpflege, dieser Nähe umgeht, auch mit großzügigen Einladungen, müssten die Medien selber klären. In der Praxis sei dies jedenfalls gang und gäbe. Sagt Wächter.

In der Branche gebe es ein „Zweiklassensystem“, behauptet er. „Das einzige Printmedium, das sich hierzulande die Trennung scharf leistet und leisten kann und keine Einladungen annimmt, ist nach meinen Erfahrungen der Spiegel. Die Print-Ausgabe wohlgemerkt, bei der Onlineausgabe sieht es schon wieder anders aus. Alle Feuilletonchefs der großen Zeitungen nehmen meine Einladungen gerne an. Manchmal fragen sie direkt danach. Und wenn sie keine Einladung bekommen, nehmen sie den Termin erst gar nicht wahr.“ Wie halten es zum Beispiel die Springer-Medien, die gemäß ihrem Redaktionsstatut recht strenge Regeln haben bei Pressereisen? „Die setzen einen Vermerk unter den Text, dass sie eingeladen wurden. Allerdings wird dieser Vermerk oft vergessen. Oder ein Freier schreibt, dann war es ja nicht die Redaktion, die eine Einladung angenommen hat. Ohnehin arbeite ich viel lieber mit Freien: Damit erreiche ich viel mehr Medien, der Text erscheint möglicherweise zwei oder drei Mal.“

Und wie reagiert er, der PR-Experte, auf kritische Artikel, auf den Veriss seiner Auftraggeber? „Das kann mich einen Auftrag kosten – allerdings ist es mir wichtiger, gute Kontakte zu den Medien zu halten, als es einem Auftragsgeber unbedingt recht machen zu wollen. Auf die Kontakte zu den Medien bin ich länger angewiesen.“

In der letzten Zeit versuche er verstärkt, Kontakt zu Bloggern aufzubauen. In USA sei man da viel weiter. Nicht zuletzt, weil die Blogger dort keinem redaktionellen Statut unterliegen und immer mehr Felder besetzen, betone die New York Times in strikter Abgrenzung ihre redaktionelle Unabhängigkeit mit dem völligen Verzicht auf Einladungen und Gefälligkeiten. „Das ist die Reaktion auf einen Netzjournalismus, bei dem die Trennungslinien zwischen Journalismus und PR immer unschärfer werden“, sagt Wächter. „In der Praxis hierzulande ist diese strikte Trennung ohnehin realitätsfern.“ Auf Pressereisen zu verzichten wäre für viele Redaktionen eine Einschränkung, da sie sich viele Recherchen nicht leisten können oder wollen. Es liege an dem einzelnen Journalisten, ob er für PR- Leistungen mit Gefälligkeiten antworte. Aber für die meisten Journalisten sei diese Gratwanderung kein Problem. „Sie nehmen Einladungen selbstverständlich in Anspruch. Erwarten sie sogar. “ EDITH KRESTA