Die Expansion der Digitalen

ONLINEGIGANT Mehr Länder, mehr Themen: Die erfolgreiche US-amerikanische Onlinezeitung „Huffington Post“ strebt auf den französischen Markt – und startet einen Ableger, der sich Homo-Themen widmet

VON RUDOLF BALMER
UND RIEKE HAVERTZ

Die Expansion der Huffington Post geht weiter: Die US-Onlinezeitung kündigte am Montag an, nach Frankreich expandieren zu wollen. In Kooperation mit der einheimischen Tageszeitung Le Monde erhofft sich die Huffington Post dort einen erfolgreichen Start bis Ende des Jahres. In Kanada und Großbritannien hat das Portal bereits Ableger aufgebaut – ein weiterer in Brasilien ist auch geplant.

Die Meldung kommt überraschend, da im Bereich der Online-Information bereits ein arges Gedränge bekannter und renommierter Nachrichtenanbieter um die Aufmerksamkeit der Nutzer konkurrieren – von den Portalen bekannter Nachrichtenmagazine über die Tagespresse bis hin zu reinen Onlinemagazinen.

Dass sich Leser auch in Frankreich immer weniger über gedruckte und immer mehr über elektronische Medien informieren, demonstriert kaum etwas deutlicher als die Umstellung beim Traditionsblatt Paris Soir: Das traditionsreiche Blatt, das einst mit mehr als 1,5 Millionen Exemplaren Frankreichs auflagenstärkste Tageszeitung war und oft mehrere Ausgaben pro Tag produzierte, erscheint seit Dienstag nicht mehr als Printzeitung, sondern wird nur noch von einem stark reduzierten Redaktionsteam online publiziert. Der Grund: Selbst die Umwandlung in ein Boulevardblatt schaffte es nicht, France Soir aus den Millionenverlusten herauszuholen.

Wie viel genau bei der Huffington Post verdient wird, ist unklar – über seine Erlöse schweigt sich das Onlineportal aus. Man habe im vergangenen Jahr erstmals Gewinn gemacht, heißt es lediglich. Dem Onlinekonzern AOL war die Huffington Post, die ihre Inhalte auch aus anderen Nachrichtenkanälen generiert, im April den Kaufpreis von 315 Millionen Dollar wert. Die geschätzten 30 Millionen Besucher pro Monat – im September sollen es sogar mehr als 37 Millionen gewesen sein – verheißen mögliche Einnahmen durch Anzeigen in Millionenhöhe. Insgesamt zählt die Huffington Post zu den beliebtesten und einflussreichsten Seiten in den USA.

Zu amerikanisch?

In Frankreich, das für seine latent antiamerikanischen Mentalität berüchtigt ist, könnte die Herkunft der Onlinezeitung ein Handikap sein. Die Macher hoffen deshalb, dass die Kooperation mit Le Monde die Erfolgschancen erhöht. Lediglich den Titel mit einem französischen Artikel in „Le Huffington Post“ anzupassen, wäre wohl zu wenig, um ein nationalbewusstes französisches Publikum zu überzeugen.

Die Redaktion von Le Monde (LM) soll in dem Bündnis für die Qualität der Inhalte bürgen. Offen bleibt aber, wieso sich die Pariser Zeitung mit dem AOL-Portal selbst Konkurrenz machen will. LM könnte versuchen, die bisher wenig rentablen Onlineaktivitäten über eine Zusammenarbeit mit dem neuen Partner auszulagern.

Die Expansion nach Frankreich ist nicht der einzige Schachzug, mit dem die Huffington Post aktuell versucht, ihre Reichweite zu vergrößern. Anfang des Monats verkündete die Gründerin Arianna Huffington, einen Special-Interest-Ableger starten zu wollen: die Gay Voices. Dort soll die ganze Bandbreite der homosexuellen und die transsexuellen Stimmen zum Tragen kommen.

Die Macher der Huffington Post hatten zuvor regelmäßig über die politischen Fortschritte der Gleichstellung von Homosexuellen in den USA berichtet. Gay Voices soll es den Lesern erleichtern, alle Artikel und Blogs zum Thema „zu finden, zu teilen und zu diskutieren“, so Gründerin Huffington. Auch wenn die Gay Voices nicht nur Advokat für den Kampf um Gleichstellung sein will, schreibt Redakteur Noah Michelsen im Editorial, dass Gay Voices eine Berechtigung habe, solange Schwule und Lesben diskriminiert, traumatisiert und zu Opfern gemacht werden: „Niemand sollte behaupten, dass wir in einer ‚posthomosexuellen‘ Ära leben.“

Durch das Gay-Voices-Angebot soll vermutlich die Bindung des Users zur Zeitung erhöht werden. Das Angebot wurde inzwischen sogar noch stärker erweitert: Neben den Homo-, Bi- und Transsexuellen sollen auch zusätzliche Angebote für Teenager, frisch Vermählte und die Generation der Baby Boomers bei der Huffington Post erscheinen: Huff/Post50, High School und Weddings heißen die Ableger, die Autoren, Blogger und User künftig bespielen sollen.

Die Expansion nach Frankreich wird bei aller Geschäftstüchtigkeit der Huffington Post Media auch zum Test für die einst als Provider erfolgreiche AOL-Gruppe – denn die will sich mit der Huffington Post dort, aber auch in Großbritannien, Kanada und Brasilien ein Stück vom Kuchen des internationalen Internetgeschäfts sichern.