Brisantes Dokument im Fall Nisman

ARGENTINIEN Ermittler finden in der Wohnung des erschossenen Staatsanwalts den Entwurf für einen Haftbefehl gegen Präsidentin Kirchner. Nach anfänglichem Dementi räumt Staatsanwaltschaft Fehler ein

BUENOS AIRES taz | Argentiniens toter Staatsanwalt Alberto Nisman wollte einen Haftbefehl gegen Präsidentin Cristina Kirchner erwirken. Im Mülleimer von Nismans Wohnung wurde ein entsprechender Entwurf gefunden. Dies bestätigte am Dienstag die ermittelnde Staatsanwältin Viviana Fein. Das Dokument datiert von Juni 2014. Darin fordert Nisman auch die vorläufige Festnahme von Außenminister Héctor Timerman und anderen Beschuldigten.

Der 51-jährige Nisman war am 18. Januar erschossen in seiner Wohnung aufgefunden worden. Es ist unklar, ob es sich um Selbsttötung oder Mord handelt. Als Sonderstaatsanwalt war Nisman seit 2004 für die Aufklärung des Anschlags auf das Gebäude des jüdischen Hilfswerks Amia 1994 zuständig. Für den Anschlag mit 85 Toten macht die argentinische Justiz den Iran verantwortlich und erwirkte internationale Haftbefehle gegen mehrere iranische Politiker.

Nisman hatte wenige Tage vor seinem Tod Präsidentin Kirchner und Außenminister Héctor Timerman beschuldigt, die Ermittlungen zu dem Anschlag zu behindern und eine Anzeige vorgelegt. Kirchner habe den Auftrag erteilt, das juristische Vorgehen gegen den Iran einzustellen und die internationalen Haftbefehle gegen die iranischen Beschuldigten zurückzuziehen.

Warum der Staatsanwalt den Entwurf verwarf, ist unklar. Für eine Vollstreckung gegen Kirchner hätte der Kongress ihre Immunität mit einer Zweidrittelmehrheit aufheben müssen. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse ist das aussichtslos.

Die regierungskritische Tageszeitung Clarín hatte vergangenen Sonntag erstmals über den Entwurf berichtet. Regierung und Staatsanwaltschaft dementierten prompt. Am Montag zerriss Kabinettchef Jorge Capitanich bei seiner täglichen Pressekonferenz die entsprechenden Seiten der Clarín-Ausgabe. Nachdem Clarín ein Faksimile veröffentlichte, ruderte Staatsanwältin Fein zurück. Sie bestätigte den Fund im Mülleimer, räumte einen „unfreiwilligen Fehler“ ein und entschuldigte ihn mit einem Kommunikationsproblem.

Die Stimmung in Argentinien ist weiter aufgeheizt. Zwar haben die Untersuchungen bisher keine Belege für die Beteiligung einer oder mehrere fremden Personen am Tod Nismans geliefert. Daran, dass der Staatsanwalt sich selbst erschossen hat, glauben jedoch nur wenige. JÜRGEN VOGT