Mehr Kämpfe im Osten des Kongo

Nach Angriffen der Regierungstruppen kündigt Rebellenführer Nkunda eine neue Offensive an. Die Zahl der Kriegsflüchtlinge in der Region steigt ständig an

BERLIN taz ■ Im Osten der Demokratischen Republik Kongo weiten sich die Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Rebellen des Tutsi-Generals Laurent Nkunda immer weiter aus. Nachdem die Regierungsarmee die Tötung von über 70 Rebellen meldete, kündigte Nkundas Rebellenbewegung CNDP (Nationalkomitee zur Verteidigung des Volkes) eine neue Großoffensive an. „Wir haben lange gewartet, dass die Regierung in Kinshasa mit uns einen Dialog beginnt, aber stattdessen bekämpfen sie uns“, sagte CNDP-General Bwambale Kakolele, Nummer zwei der Rebellen, am Sonntag. Nkunda präzisierte gestern: „Es gibt keinen Waffenstillstand. Wir werden nicht länger tatenlos zusehen, während Menschen sterben.“

Offiziell gilt seit 6. September eine Feuerpause zwischen den Kriegsparteien in der ostkongolesischen Provinz Nord-Kivu. Damals hatten Nkundas Kämpfer die Kleinstadt Sake nahe der Provinzhauptstadt Goma eingenommen. Die UN-Mission im Kongo (Monuc) hatte die Rebellen zum Rückzug bewogen und eine Feuerpause ausgehandelt. Aufrufe Nkundas zu Verhandlungen lehnte Kongos Regierung danach aber regelmäßig ab.

Die Regierungsarmee, bisher Nkunda militärisch unterlegen, hat die Zeit der Feuerpause benutzt, um massiv Verstärkung ins Kampfgebiet zu bringen – teils in UN-Hubschraubern, teils auf offenen Lastwagen, in denen die Soldaten samt Familien Richtung Front geschickt werden. In den letzten zwei Wochen kam es ständig zu neuen Kämpfen.

Der Krieg nimmt zunehmend einen ethnischen Charakter an. In den Masisi-Bergen westlich von Goma, Hochburg der Nkunda-Rebellen, haben sich lokale Milizen der Hutu- und Bahunde-Völker gebildet, die gegen die als Tutsi verschrienen Rebellen kämpfen wollen und daher alle Tutsi der Region als Feinde ansehen. Ihre Mitglieder, viele davon Kinder, ziehen zuweilen gemeinsam mit Regierungstruppen in den Krieg. Gefangene Milizionäre in Gewahrsam der Nkunda-Rebellen haben ausgesagt, auf zweitägige Fußmärsche ins Kampfgebiet geschickt worden zu sein mit nichts als Verpflegung als ein paar Süßkartoffeln .

Die Masisi-Berge waren schon in den 90er-Jahren Schauplatz blutiger ethnischer Konflikte. Damals wurden fast alle Tutsi der Region vertrieben, größtenteils nach Ruanda. Ihre friedliche Rückführung ist eine der Kernforderungen der Nkunda-Rebellen. Hindernis dafür ist die Präsenz ruandischer Hutu-Milizen, deren Führung am Völkermord an Ruandas Tutsi 1994 beteiligt war, in großen Teilen Nord-Kivus. Nkunda wirft der Regierungsarmee vor, mit diesen Hutu-Milizen zusammenzuarbeiten, die als FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) organisiert sind, und begründet damit seine Revolte gegen die Regierung.

Nkundas Kämpfer haben jetzt mehrfach bei Auseinandersetzungen mit der Regierungsarmee ruandische FDLR-Milizionäre gefangengenommen. Sie haben ausgesagt, von Kongos Armee unterstützt zu werden. FDLR-Präsident Ignace Murwanashyaka, der in Deutschland als anerkannter politischer Flüchtling lebt, bestätigte kürzlich in einem BBC-Interview: „Wir haben von Kabila Waffen bekommen. Das ist kein Geheimnis.“ Es existieren auch BBC-Videoaufnahmen von kongolesischen Hutu-Milizionären in den Masisi-Bergen, die aussagen, sowohl mit der Regierungsarmee als auch mit den ruandischen FDLR-Milizen zu „kollaborieren“.

Eine Ausweitung des Krieges könnte so Ruanda auf den Plan rufen. Erst letzte Woche beschoss die FDLR ein Dorf in Ruanda.

Derweil steigt die Zahl der Kriegsflüchtlinge derzeit immer weiter und hat im Gebiet Mugunga am westlichen Rand von Goma inzwischen 80.000 erreicht. In ganz Nord-Kivu sind nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks dieses Jahr 350.000 Menschen vertrieben worden, rund die Hälfte davon seit Ausbruch der neuen Kämpfe Ende August; die Zahl der Kriegsflüchtlinge insgesamt in der Provinz liegt bei rund 700.000, ein Siebtel der Bevölkerung.DOMINIC JOHNSON