Mutter, Mutter – Kind?

SLOWAKEI Viele atmen auf. Ein Referendum gegen Homosexuellenrechte ist wegen zu geringer Beteiligung gescheitert. Das Thema steht nun auf der politischen Agenda

VON ALEXANDRA MOSTYN

PRAG taz | Vater, Mutter, Tochter, Sohn: Schön und behütend mutet die Familie an, die der kleine Junge so konzentriert zeichnet. Gerade malt er das Kleid der Mutter rot aus, als die Frau, die danebensitzt, ihn unterbricht: „Deine neue Familie ist da.“ Plötzlich stehen zwei Männer lächelnd vor dem Jungen und seiner Zeichnung, der eine mit Hipsterbart der andere mit blonder Schleimtolle. „Und wo ist die Mama?“, fragt das Kind, bevor eine Stimme aus dem Off ertönt: „Den Kindern ist es klar.

Mit dem Werbespot wollte die klerikale slowakische „Allianz für die Familie“ über 4 Millionen slowakische Wähler dazu bewegen, in einem Referendum gleich dreifach abzustimmen. Und zwar dagegen: gegen eheähnliche gleichgeschlechtliche Beziehungen, gegen die Adoption von Kindern durch gleichgeschlechtliche Paare und gegen die Möglichkeit, über Sexualität und Euthanasie informiert zu werden.

Die Volksabstimmung, die von einer selbst ernannten „Allianz für die Familie“ ins Leben gerufen wurde, konnte am vergangenen Samstag stattfinden, weil sich rund 10 Prozent der slowakischen Wähler in einer Petition dafür ausgesprochen hatten. Gescheitert ist sie dennoch. Nur knapp 22 Prozent der wahlberechtigten Slowakinnen und Slowaken haben sich überhaupt an die Urnen bemüht. Auch wenn sich 90 Prozent von ihnen gegen gleichgeschlechtliche Familien ausgesprochen haben, ist die Abstimmung damit ungültig. Denn der Staat, so hat er per Gesetz beschlossen, schert sich um Volksabstimmungen erst ab einer Wahlbeteiligung von mindestens 50 Prozent.

Das Referendum endete in einem „Debakel“, einem „Fiasko“ titulierte die slowakische Presse am Tag danach. „Die gute Nachricht ist, dass die Kampagne, die zielgerichtet mit Vorurteilen arbeitete, denen sie einen wissenschaftlichen Anstrich gab, und die Bürger einer zweiten Kategorie erschuf, es nicht geschafft hat, zu mobilisieren“, freute sich die Tageszeitung SME.

Andere betrachten das Frohlocken als etwas zu kurzsichtig. Denn immerhin hat sich knapp eine Million Slowaken dafür ausgesprochen, die Rechte Homosexueller zu beschneiden. Und das, bevor sie diese überhaupt haben. In der Slowakei gibt es bislang keine sogenannten registrierten Partnerschaften von gleichgeschlechtlichen Paaren. Im Gegenteil: Seit Juni letzten Jahres ist die Ehe zwischen Mann und Frau als ausschließlicher Lebensbund im Gesetz verankert. Entsprechend dürfen auch nur Ehepaare Kinder adoptieren, ein Privileg also, das nicht nur Homosexuellen verweigert wird, sondern auch Alleinstehenden.

Ihre Niederlage im Kampf gegen die nicht existierenden Windmühlen preist die „Allianz für die Familie“ dennoch als großen Sieg. Man habe das Thema in der Slowakei in die Diskussion gebracht, brüstet sich der Sprecher der Allianz, Antonin Chromík. Sein Gegenspieler Martin Macko, Chef der Initiative „Inakost“ (Andersartigkeit), begrüßt die niedrige Wahlbeteiligung. „Das ist ein eindeutiger Ruf danach, anständig über das Thema registrierte Partnerschaft zu diskutieren“, erklärte er. Dass das Thema durch das Plebiszit auf die politische Agenda der Slowakei gebracht wurde, bezweifelt niemand. Sämtliche politische Kommentatoren sind sich einig, dass es zumindest bis zu den nächsten Wahlen im Frühjahr kommenden Jahres eifrig diskutiert werden wird.

Den Segen des Papstes hat die „Allianz für die Familie“ schon. Franziskus hat sich ihr im Vorfeld des Referendums als Gesicht zur Verfügung gestellt, das auf Billboards mit gestrecktem Daumen gegen eine Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partner warb. Doch selbst ein Papst ist gegen Intendanten machtlos. Das herzerweichende Video mit dem kleinen Jungen, der sich nach einer Mutter in rotem Kleid sehnt, wurde weder von privaten noch öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern der Slowakei ausgestrahlt.