„Eigene Sicht des Sozialismus“

INTERVIEW Georgina González erklärt, wie die KubanerInnen über ihre Zukunft denken

■ studierte in Moskau, ist heute stellvertretende Leiterin des Philosophischen Instituts der Universität von Havanna.

taz: In den 90er Jahren glaubten viele, das Ende des Sozialismus sein gekommen. Nicht in Kuba?

Georgina Alfonso González: Es kommt darauf an, dass die Jugend das Werk der Revolution weiterführt. Die Jüngeren müssen ihre eigene Sicht des Sozialismus erarbeiten. Nach der Auflösung der Sowjetunion ging es für unser Volk ums nackte Überleben. Die heutige Jugend ist in dieser Zeit aufgewachsen. Sie hat ein belagertes Land erlebt, ein Land mit wirtschaftlichen Krisen, Hurrikanen – das alles gehört zu dieser jungen Generation.

Und der Weltmarkt für die Rohstoffe, die Kuba exportiert, ist zusammengebrochen.

Ja, zudem fürchten wir, dass auch der Tourismus, ein wichtiger Wirtschaftszweig für uns, nach den Naturkatastrophen Schaden erleiden wird.

Sie haben kürzlich dennoch 50 Jahre Revolution gefeiert.

Die kubanische Revolution eröffnete die 1960er Jahre, die überall eine Zeit des Aufbruchs und der Träume waren, auch in Europa, den USA und ganz Lateinamerika. Kuba hat gezeigt, dass es möglich ist, diese Träume zu verwirklichen. Die Revolution hat die Lage des Volkes hin zu Emanzipation, Würde, sozialer Gerechtigkeit und menschlicher Solidarität verändert.

Hat Kuba ein Menschenrechts-Problem?

Mindestens 80 Prozent der kubanischen Bevölkerung stehen vorbehaltlos hinter den Errungenschaften der kubanischen Revolution. Natürlich verstehen nicht alle Jugendlichen in unserem Land, welche Leistung hinter einer kostenlosen Gesundheitsfürsorge und einem kostenlosen Bildungssystem steckt; sie haben die Erfahrungen der Zeit vor der Revolution nicht, als Kuba eine ausgebeutete Kolonie der USA war. Interview: kawe

19.30 Tivolisaal Gewerkschaftshaus