DIE REISE KANN NICHT LOSGEHEN, BEVOR DER BUS VOLL IST
: Viereinhalb Stunden Warten

Ein Raunen geht durch die Bahnhofsmenge. Die Passagiere jubeln

VON ELENA BEIS

Da vorne ist er, Lusakas Busbahnhof. Bevor ich mich orientieren kann, schießt ein Mann auf mich zu, will wissen, wo die Reise hingeht, und lotst mich zum richtigen Kleinbus: „Geht gleich los“, sagt er – und schlendert zum dahinter stehenden Billardtisch.

Ich setzte mich in den Bus ans Fenster und schaue mich um: Fünfzig fahruntüchtig aussehende, aber auf Hochglanz polierte hellblaue Busse stehen kreuz und quer auf dem dreckigsten afrikanischen Bahnhof, den ich bisher gesehen habe. Zwischen Essbuden und kleinen Verkaufsständen drängen sich bunt gekleidete Menschen. In der Luft hängt der Geruch von Auspuff, gärendem Müll und Grillwürsten. Alle drei Sekunden versucht mir ein Verkäufer durch das geöffnete Fenster Schmuck, pink phosphoreszierendes Gebäck und selbst gebrannte sambische Schlager-CDs anzudrehen. Ich kaufe nur gekühltes Wasser. Ich bin erst der dritte Fahrgast. Dieser Bus wird nicht losfahren, ehe er voll ist.

Nur wenn ein neuer Fahrgast kommt, dürfen alle kurz aussteigen, damit der Fahrer die neuen Taschen, Kisten, Essenstüten und Hühner unter die Sitze verstauen kann. Danach heißt es: sich widerstrebend in den überhitzten Wagen zurückzwängen, den sperrigen Rucksack auf dem Schoß, und ausharren, während Tsetsefliegen auf meinem Gesicht sitzen, Hühner an meinen Füßen picken und der Kunststoffsitz an Rücken und Beinen festgeklebt.

Nach viereinhalb Stunden ist der Bus endlich voll: Alles ist mittlerweile hundertfach umarrangiert und die Raumausnutzung auf den Millimeter optimiert. Der Fahrer steigt ein, dreht feierlich den Schlüssel – doch der Wagen springt nicht an. Mehrere Männer schieben den Bus an. Vergebens. Der überladene Bus wird rückwärts zum Parkplatz gekarrt. Und mit Schwung durch den übervölkerten Bahnhof angeschoben – achtmal. Hoffnungslos, denke ich.

Aber der Fahrer denkt nicht im Traum daran, aufzugeben und uns aussteigen zu lassen. Nun holt er einen Freund dazu: Der ist keine 18 Jahre alt und soll ans Steuer. Der Fahrer schiebt von außen mit an, während sein junger Freund den Bus fast in einen Klapptisch und die unerschrocken darum herumsitzende Familie rammt. Es geht kurz bergab, als das Auto auf einmal anspringt. Ein Raunen geht durch die Bahnhofsmenge. Die Passagiere jubeln. Fahrer steigen aus ihren geparkten Bussen und klopfen dem Jüngling auf die Schulter. Heute ist er der King.