FALSCH ANGESTELLT
: Komplizierte Dinge

Wenn man so schlechte Laune hat wie sie, muss man die schon auslassen an wem

Schon wieder stehe ich falsch. Ich kann machen, was ich will, irgendwie hab ich ein Händchen dafür: falsches Klo, falsche Umkleidekabine, falsch, falsch, falsch. Heute steh ich nur in der Post, aber selbst da kriege ich das mit der richtigen Wahl nicht hin. „Paketschalter“, hab ich gedacht, steht groß dran, mit Extrapfeil: „Abholen: Da!“ Aber nein.

Dass irgendwas komisch ist, merke ich, als die hinterm Schalter plötzlich die Frau vor mir anschnauzt. Was sie da sagt, verstehe ich nicht, so laut hat sie nicht geschnauzt. Aber geschnauzt. Als ich dran bin, schnauzt sie noch mal, kaum dass sie meinen Abholzettel sieht: „Das hier ist der Paketschalter!“ „Ja“, sage ich. „Ist mir bewusst. Pakete abholen und so.“ „Aber ihrs ist kein Paket! Ihrs ist ein Brief!“ Sie deutet auf die zweite Schlange im Raum. „Da müssen Sie hin!“ Sie pustet Luft aus, ganz laut, greift aber doch plötzlich meinen Zettel, geht nach hinten und sucht, und ich stehe so lange und wappne mich auf die Attacke bei ihrer Rückkehr, weil wenn man so schlechte Laune hat wie sie, muss man die schon auslassen an wem.

Doch als sie wiederkommt, guckt sie ganz friedlich. Fast verschämt trägt sie meine Sendung im Arm, denn die ist groß, und zwar so was von groß, dass sie glatt als Päckchen durchgeht, nicht nur als Brief. Wortlos hält sie mir das Briefpäckchen hin. „Danke“, sage ich und lächle sie an. „War ich doch richtig hier.“ Sie lächelt nicht zurück, und schon zweifle ich wieder. War ich das wirklich? Weil: ist nicht ganz klar mit Briefen, die nicht aussehen wie welche. Wie ganz allgemein mit Dingen und Menschen, die nicht sind, was sie scheinen. Ich seufze.

Hinter mir seufzt’s auch, ungeduldig; dann hüstelt es. Ich nicke der Postfrau zu, dann dreh ich mich um, mustere den Hüstler im Gehen, rätsle, ob er so ist wie ich: mit dringendem Briefabholbedarf, und das am Schalter für die Pakete. Würde mich freuen, irgendwie. JOEY JUSCHKA