Bargeld für alle

OBERHAVEL Aktivisten tauschten ein letztes Mal Gutscheine ein

„Heute ist ein guter Tag für die Flüchtlinge in Oberhavel“, beginnt ein Aktivist von „Contre le racisme – Show Solidarity“ (Corasol) am Freitagabend seine Rede anlässlich der bundesweiten Abschaffung von Lebensmittelgutscheinen für Flüchtlinge. Gemeinsam mit etwa 30 anderen Flüchtlingen und AktivistInnen aus Henningsdorf und Umgebung kauft er heute ein letztes Mal in einem Pennymarkt seine Lebensmittel ein. Danach sollen die Gutscheine, die im Wert von 187 Euro pro Monat ausgestellt werden und nur in speziellen Supermärkten einlösbar sind, der Vergangenheit angehören.

Seit über 20 Jahren bekommen Flüchtlinge in Henningsdorf Gutscheine anstelle von Bargeld. Ende November wurde das lange in der Kritik stehende System durch die Novellierung des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) abgeschafft; zum 1. März tritt das Gesetz bundesweit in Kraft. Demnach können Flüchtlinge künftig selbst entscheiden, wann, wo und wie sie die Leistungen nach dem AsylbLG ausgeben. Flüchtlinge und AktivistInnen brauchten im Kampf gegen die Gutscheine einen langen Atem: Trotz Bundesentscheidungen und Landtagsbeschlüssen und trotz vieler Demonstrationen sperrten sich politische Verantwortliche des Landkreises jahrelang gegen die Bargeldauszahlung. Selbst Boykottbewegungen wie die im Jahr 2011, als Flüchtlinge drei Monate lang auf die Gutscheine verzichteten, brachten kein Umdenken.

Nun sind die Flüchtlinge erleichtert. „Endlich kann ich selbst entscheiden, wo und wie ich einkaufe“, freut sich ein 31-jähriger Kameruner, der nicht beim Namen genannt werden möchte. Auf der Kundgebung feierten die Corasol-AktivistInnen nicht nur die Abschaffung der Gutscheine, sondern erinnerten auch an andere Ungerechtigkeiten, mit denen Flüchtlinge in Deutschland konfrontiert sind. Nächstes Etappenziel sei es, Menschen unabhängig von ihrem rechtlichen Status den Zugang zu ärztlicher Versorgung zu ermöglichen. FANNY LÜSKOW