Ein vorsichtiger Reformer aus der Wüste

Zum Staatsbesuch in Großbritannien: Der saudische König Abdallah hält sich seit Montag in London auf, wo er die Queen und den britischen Premierminister Gordon Brown traf FOTO: REUTERS

Zum Auftakt seines Staatsbesuchs in Großbritannien machte sich der saudi-arabische König Abdallah bei seinem Gastgeber erst einmal unbeliebt. Er warf der britischen Regierung vor, sie habe Hinweise aus dem Königreich auf die Terroranschläge in London im Jahr 2005 ignoriert. „Wie wagt es dieser König, uns über den Terrorismus zu belehren?“ fragte die Tageszeitung Independent in ihrer Dienstagsausgabe. Die Mehrheit der Attentäter des 11. September 2001 stammten aus Saudi-Arabien.

Dennoch wurde der rote Teppich in London nicht eingerollt. Bei dem Staatsbesuch handelt es sich um die erste Reise eines saudi-arabischen Monarchen nach Großbritannien seit 20 Jahren, und beide Seiten verfügen über gute wirtschaftliche Beziehungen. Abdallah reiste, wie bei hochrangigen Saudis üblich, mit großer Entourage, die in sechs Jumbo-Jets auf dem Flughafen Heathrow landete. Es dauerte drei Stunden, bis das Gepäck ausgeladen war; dann ging es mit einem Konvoi von 84 Limousinen für die 23 persönlichen Berater des Königs und über 400 weitere Mitarbeiter nach London.

Der 82-jährige König Abdallah Ibn Abdul Asis al-Saud, wie er mit vollem Namen heißt, ist seit August 2005 an der Macht. De facto führte er als Kronprinz bereits seit Mitte der 90er-Jahre die Amtsgeschäfte, nachdem sein Vorgänger und Halbbruder Fahd einen Schlaganfall erlitten hatte. Abdallah gilt als zurückgezogen, gottesfürchtig, ehrlich und volksnah. Gelegentlich zieht er sich gerne in die Wüste zurück.

Politisch gilt er als ein moderater Reformer. Nicht nur die ersten Kommunalwahlen in Saudi-Arabien, die im Frühjahr 2005 stattfanden, tragen seine Handschrift. Er forderte auch immer wieder eine größere Rolle für die Frauen in der Gesellschaft, obwohl sie noch immer von den Wahlen ausgeschlossen bleiben.

Seine derzeitigen Projekte sind eine veränderte Regelung für die Thronfolge und eine Kodifizierung des saudischen Rechts. Bisher ist es den Richtern vorbehalten, mit ihrer persönlichen Interpretation der Scharia Recht zu sprechen. Allerdings scheitern seine vorsichtigen Modernisierungsversuche häufig an konservativeren Mitgliedern der Familie und dem religiösen wahhabitischen Establishment.

Internationale Aufmerksamkeit erlangte Abdallahs Nahost-Friedensinitiative aus dem Jahr 2002. Darin bot er Israel eine Normalisierung der Beziehungen mit den arabischen Staaten im Tausch gegen einen israelischen Rückzug aus den besetzten arabischen Gebieten an. Erfolglos waren dagegen seine Bemühungen als Vermittler, zum Beispiel zwischen den zerstrittenen palästinensischen Fraktionen. B.S., GAW