Kleiner Piks, große Wirkung

IMPFUNG Verdacht bestätigt: Masern sind Todesursache des am Mittwoch verstorbenen Jungen. Institute stellen sich Einwänden von Impfkritikern, die Zusammenhänge von Impfungen und Krankheiten wie Autismus sehen

VON FANNY LÜSKOW

Wie die Charité-Universitätsmedizin am Dienstagmittag auf Grundlage des vorläufigen Obduktionsberichts bestätigte, lag bei dem an Masern erkrankten und am Mittwoch verstorbenen Jungen eine Erkrankung vor, die ohne die Maserninfektion nicht zum Tode geführt hätte. Die Masernerkrankung sei ursächlich für den Tod des Kindes, so die Pressestelle der Charlité.

Damit ist der Fall eine Ausnahme. „Die Todesursachenstatistik weist für Deutschland 15 Todesfälle aufgrund von Masern im Zeitraum 2001 bis 2012 aus“, sagte die Pressesprecherin des Robert-Koch-Instituts (RKI), Susanne Glasmacher, der taz. Etwa einer von 1.000 Masernerkrankten sterbe an der Krankheit.

Masern sind eine vermeidbare Krankheit. Eine zweifache Impfung genügt, dann ist man lebenslang gegen sie immun. Typische Nebenwirkungen einer Impfung sind laut RKI Rötung, Schwellungen und Schmerzen an der Impfstelle sowie Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen. Diese Reaktionen zeigen die Auseinandersetzung des Immunsystems mit dem Impfstoff an und klingen in der Regel nach wenigen Tagen wieder ab. Sogenannte Impfmasern, die etwa zehn Tage nach der Masernimpfung auftreten können, sind dem RKI zufolge nicht infektiös.

Eine über das übliche Maß einer Impfreaktion hinausgehende gesundheitliche Schädigung kommt laut Nationalem Impfplan 2012 des RKI weitaus seltener vor als die durch eine Impfung verhütete Erkrankung. Die Anzahl der anerkannten Impfschäden beläuft sich von 2005 bis 2009 in Berlin auf 13 von 50 gestellten Anträgen auf Anerkennung eines Impfschadens (bundesweit: 160 Anerkennungen gegenüber 1.036 Anträgen).

Trotz der nachgewiesen sehr selten auftretenden Beschwerden halten sich die Vorbehalte gegenüber Impfstoffen hartnäckig. So schreibt eine Autorin der Website Impfkritik.de einen Tag vor dem Tod des an Masern erkrankten Jungen: „Die Masern sind bei uns eine in der Regel harmlos verlaufende Kinderkrankheit. Komplikationen sind sehr selten und auf naturheilkundlichem Wege gut zu begleiten.“ Der Erfolg von Massenimpfungen sei nicht beweisbar, „die Wirksamkeit von Masernimpfungen nur ein Mythos“.

Viele Impfgegner sehen unter anderem zwischen dem Impfen und der Erkrankung an Multipler Sklerose, Autismus und Diabetes mellitus einen Zusammenhang. Auch die Frage nach dem Vorhandensein schädlicher Quecksilberbestandteile von Impfstoffen und Zusatzstoffen, die insbesondere für Allergiker ein Risiko darstellen, steht im Raum. Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) räumt auf seiner Website mit diesen Vorurteilen auf. Weder sei ein Zusammenhang mit oben genannten Krankheiten noch das Vorhandensein bzw. eine gesundheitsschädigende Wirkung der Zusatzstoffe nachweisbar.

Einige der Impfkritiker vertreten Ansätze anthroposophischer Medizin. Diese setzt auf bestimmte Ernährungsweisen und spezielle Herstellungsverfahren von Arzneistoffen und Naturheilmitteln, die die Selbstheilungskräfte aktivieren sollen und individuell auf den Patienten abgestimmt werden.

Menschen, denen ihr Impfstatus unklar ist, sollten sich nach Angaben des RKI ebenfalls nachimpfen lassen. Insbesondere die nach 1970 geborenen Jahrgänge sind dazu aufgefordert.

Die am Montag wegen Masern geschlossene Schule in Lichtenrade hat nach Angaben der Bildungsverwaltung den Unterricht am Dienstag wieder aufgenommen. Das Gesundheitsamt habe die Impfbücher von Mitschülern und Lehrern des erkrankten Jugendlichen eingesammelt. Vom Unterricht ausgeschlossen wurden fünf Schüler, die keinen ausreichenden Impfschutz nachweisen konnten. Solange die Eltern keine Impfbestätigung oder durchgemachte Masernerkrankung nachweisen können, bleiben sie vom Unterricht ausgeschlossen. Aus Anlass der aktuellen Vorkommnisse sprach sich auch Ärztepräsident Frank Ulrich für eine Impfpflicht gegen Masern aus.