Zersiedlung im Norden

Naturschützer fürchten den Verlust von Grünflächen im Norden Hamburgs. In den nächsten Tagen wird über den Status von „Splittersiedlungen“ in Wandsbek entschieden. Vorsitzender der Bezirksversammlung verteidigt die Pläne

Lemsahl-Mellingstedt und Duvenstedt gehören zu den beschaulichen Walddörfern mit ländlichem Charme im Norden Hamburgs. Landwirtschaftliche Flächen konnten hier zwischen lockerer Bebauung bis heute überdauern. Um diesen ruralen Reiz sorgt sich nun Horst Bertram vom Botanischen Verein in Hamburg. In einer so genannten Paragraph 35-Verordnung sollen sieben Gebiete entlang der Lemsahler Landstraße, dem Weg nach Bad Segeberg, bebaut werden.

„Hier vollzieht sich eine besonders bedrohliche Planung außerhalb der Öffentlichkeit“, sagt Bertram. An der Lemsahler Landstraße ist über einen langen Zeitraum hinweg bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs eine lockere Bebauung in kleinen „Splittersiedlungen“ entstanden. Diese wurden nach Paragraph 35 Baugesetzbuch toleriert, der für die Flächen landwirtschaftliche und gartenbauliche Objekte in Ausnahmefällen zulässt. In der Vergangenheit, vor allem nach Kriegsende, als große Wohnungsnot herrschte, wurden diese Ausnahmen großzügig ausgelegt. Die Verordnung soll nun ganz aufgehoben werden, um die Gebiete für sonstige Bebauung freigeben zu können. Bertram fürchtet, dass sich durch den Wegfall des bisherigen Status die bisherigen Siedlungen weiter ausweiten und das zu einem Verlust des landschaftlichen Charakters führen werde. Dadurch könnten in Zukunft auch die verbleibenden Lücken zwischen den sieben Bereichen geschlossen werden und wertvolle Kulturlandschaft verloren gehen. „Es ist eine alte Erfahrung, dass verfestigende Splittersiedlungen Umnutzungen jeglicher Art nach sich ziehen und zur Ausweitung neigen. Am Ende hat die Stadtplanung keine Steuerungsmöglichkeiten mehr“, sagt Bertram. Er spricht von einer schleichenden Landschaftszerstörung, die von den Naturschutzverbänden einhellig abgelehnt werde.

Besonders bedauerlich sei, dass in der nahe gelegenen Straße Hinsenfeld neues Bauland für rund 200 Wohneinheiten ausgewiesen werde, wodurch sich der Bedarf an Ausgleichsflächen noch erhöhen würde.

Für den Vorsitzenden der Bezirksversammlung Wandsbek Michael Bruhns (CDU) ist gerade hier die Erklärung für die geplanten Maßnahmen zu suchen. Seit 1982 gäbe es Überlegungen an der Straße Hinsenfeld neuen Wohnraum zu schaffen, sagt er. Dadurch würde bei den Grundeigentümern der benachbarten Splittersiedlungen der Wunsch laut werden, selber ebenfalls bauen zu dürfen. „Das ist eine Frage der Gerechtigkeit“, sagt Bruhns. Die Bewohner hätten sich in einem offiziellen Schreiben an den Planungsausschuss gewand. Er betont, dass es ausschließlich um die bereits bebauten Gebiete ginge: „Wir fassen keine landwirtschaftlichen Flächen an, aber wenn ein Eigentümer ein Grundstück von 2.400 Quadratmetern besitzt, dann muss ein Neu- oder Anbau erlaubt sein.“ „Schlauen Leuten“, die sich vorsorglich ein Grundstück an der Lemsahler Landstraße – etwa die Flächen eines ehemaligen gartenbaulichen Betriebes – gesichert hätten, erteile er eine Absage. „Das könnt ihr vergessen“, sagt er in ihre Richtung. Die deutlich sichtbare Trennung zwischen Duvenstedt und Lemsahl müsse erhalten bleiben. Außerdem teilte Bruhns am Telefon mit, dass es sich nicht um sieben Gebiete handeln würde, die zur Bebauung in Frage kämen. Es würde sich lediglich um „nicht viel mehr als drei Gruppen“ handeln auf denen fünf bis sechs Häuser entstünden. Die entscheidenden Sitzungen sind für die nächsten Tage angesetzt.JAN WEHBERG