Helfen ist möglich, wenn man nur will

VOM HELFEN In den „Asyl-Dialogen“ im Heimathafen Neukölln erzählen Schauspieler von den Begegnungen zwischen Flüchtlingen und Aktivisten

„Was, wenn das in meinem Führungszeugnis steht, finde ich dann noch einen Job?“ Solche Fragen gehen der Aktivistin Linda durch den Kopf, als sie zum ersten Mal bei der Blockade eines Flüchtlingsheims mitmacht. Seit März 2014 konnte eine Initiative aus Osnabrück durch solche Blockaden 28 Abschiebungen verhindern. Nebenbei entstanden Freundschaften, wie die zwischen Linda und dem pakistanischen Flüchtling Wazir.

Linda und Wazirs Erfahrung ist eine von drei Geschichten, die die „Asyl-Dialoge“ im Heimathafen Neukölln erzählen. Sie setzen fort, was mit den „Asyl-Monologen“ begann. Für das Berliner Netzwerk „Bühne für Menschenrechte“ hatte der Regisseur Michael Ruf vor ein paar Jahren Flüchtlinge interviewt. Lediglich gekürzt und arrangiert ließ er die Protokolle anschließend von Schauspielern vortragen. Die Idee, Flüchtlinge ihre Geschichte erzählen zu lassen, wurde von vielen Theatern und Schauspielern aufgegriffen: In den letzten vier Jahren gab es Aufführungen der „Monologe“ in 150 Städten.

Die „Asyl-Dialoge“ erweitern die Perspektive: Jetzt geht es um das Aufeinandertreffen von Flüchtlingen und Einheimischen. Ruf inszeniert diese Geschichten äußerst reduziert: Sechs Schauspieler stehen auf der kahlen Bühne und sprechen mit verteilten Rollen. Aktionen gibt es nicht, der Text steht im Vordergrund, unterlegt mit dezent eingesetztem Schlagzeug und Klavier.

Mehr braucht es auch nicht, die erzählten Schicksale sind ohnehin eindrucksvoll genug: Etwa die Geschichte der 45-jährigen Anna, die sich aus einem philanthropischen Impuls heraus entschließt, Kindern in einem bayrischen Flüchtlingsheim Deutsch beizubringen. Schnell freundet sie sich mit einer tschetschenischen Familie an, unternimmt Ausflüge mit den Kindern. Erst als die Familie von einem Tag auf den anderen abgeschoben werden soll, begreift Anna, was es bedeutet, Flüchtling zu sein: „Wieso bin ich mit den Kindern schön geschwommen und habe das nicht mitgekriegt?“, fragt sie sich und entschließt sich, in einer waghalsigen Aktion, die Abschiebung zu verhindern.

Die Begegnung zwischen Anna und der tschetschenischen Familie gehört zu den spannendsten Teilen des Abends. Nicht nur, weil der Versuch, die Behörden auszutricksen, so abenteuerlich ist, sondern auch, weil die Figur der Anna sich am meisten entwickelt: von der naiven Helferin zur entschlossenen Aktivistin.

Den anderen Geschichten fehlt diese Fallhöhe. Dass eine Rechtsanwältin oder eine linke Aktivistin sich für einen Flüchtling engagiert, ist begrüßenswert, aber wenig überraschend. Interessanter wären Beispiele mit etwas mehr Konfliktpotenzial gewesen. Etwa ein Fall, bei dem jemand, der Flüchtlingen feindselig gegenüberstand, nach persönlichem Kontakt seine Meinung revidiert.

So zeigt das Stück, wie Menschen, die helfen wollen, auf Menschen treffen, denen sie helfen können. Für beide ist das eine Bereicherung, und so versteht sich das Projekt wohl auch: als Ermutigungsstück, das sagt, ihr könnt die Lage von Flüchtlingen verbessern, wenn ihr nur wollt.

Dass für Ruf eben nicht ästhetische oder dramaturgische Gesichtspunkte im Zentrum standen, sondern der aktivistische Impuls, zeigt der zweite Teil des Abends. Hier kommen Aktivisten auf die Bühne, um mit dem Publikum zu diskutieren. Aufklärung im besten Sinne soll da betrieben werden. Nur, dass Zuschauer und Aktivisten natürlich größtenteils aus dem gleichen linken Milieu kommen und man sich in den Grundfragen ohnehin einig ist. Über die Ablehnung, die vielen Flüchtlingen in Deutschland entgegenschlägt und die der eingeladene Mitbegründer der Organisation Voix d’immigrants beklagt, ist an diesem Abend deshalb wenig zu erfahren. Vielleicht bräuchte es für diesen Themenkomplex einen dritten Teil. Einen Versuch wäre es wert. LUISE CHECCHIN

■ Wieder im Heimathafen Neukölln am 27. und 28. Februar sowie am 1. März, 19.30 Uhr