Die kleine Wortkunde (Döner-Morde)

Die geradezu kulinarische Bezeichnung „Döner-Morde“ führt leicht zu Missverständnissen. Sollte der Döner das Mordwerkzeug gewesen sein, so wäre die Klassifizierung irreführend. Denn der Tod nach dem Verzehr von Döner kann höchstens als fahrlässige Tötung, nicht aber als Mord bezeichnet werden. Wenn überhaupt, kann nur der Dönerspieß als instrumentum sceleris dienen Noch schwieriger zu verstehen wäre, wenn beim „Döner-Mord“ Döner das Opfer bezeichnen würde. Aber diese untaugliche Bedeutung führt auf die richtige Fährte. Die Opfer waren Dönerbudenbetreiber.

Falls das gemeint war, so wurden fälschlicherweise Opfer mit unterschiedlichen Gewerben unter die „Döner-Morde“ subsumiert. Nicht alle Opfer waren Türken, es war auch ein Grieche dabei. Und selbst bei weitester Auslegung hätte sich ein ermordeter Blumenhändler nicht als Opfer bei den „Döner-Morden“ unterbringen lassen. Aber bei dem Begriff ging es nicht um Logik, sondern um Vorurteilsproduktion. Es wurde suggeriert, bei der Herstellung und dem Verkauf von Döner hätten verbrecherische Organisationen die Hand im Spiel, sei es als Schutzgelderpresser, sei es als Killer bei der Konkurrenz um Marktanteile beim lukrativen Dönergeschäft. Klar, dass es sich bei diesen Verbrechern um Türken handeln musste. Zwar wäre die Polizei verpflichtet, in alle Richtungen zu ermitteln. Aber hier, im Umkreis der Döner, schien sich ein kriminogenes Milieu aufzutun. Hier galt es, die Kräfte zu konzentrieren.

Deshalb ist es auch nur konsequent, dass die polizeilichen Sokos, die in Bayern zur Aufdeckung der „Döner-Morde“ gebildet wurden, die schönen Namen „Halbmond“ und „Bosporus“ trugen. CHRISTIAN SEMLER