Sportplatz
: Aktienfieber, aber keine Tore

2. Bundesliga Im Topspiel kommt Union gegen Düsseldorf nicht über ein 0:0-Remis hinaus

Nach dem Abpfiff ertönte in der Alten Försterei erneut der Chor der Seelenverkäufer

Verwegen dreinblickende Typen kleben zur Frühstückszeit mit klammen Fingern an winterkalten Bierflaschen. Männer in rot-weißen Trikots lassen ältere Damen zusammenzucken, als sie aus dicken Backen und Bäuchen einen spontanen Chorgesang anstimmen. Was sich am Samstag wie das gewohnte Vorspiel zu dem Zweitligamatch des 1. FC Union anhörte, ist vielleicht schon bald das Präludium zu einer Aktionärsversammlung der ungewöhnlichen Art.

Denn nachdem Union angekündigt hat, sein Stadion An der Alten Försterei in Köpenick zum überwiegenden Teil in den Besitz seiner Mitglieder zu überführen (taz berichtete), dürften winterfeste Biertrinker und lautstarke Stimmakrobaten bald zu Anteilseignern an der schönen Fußballarena in der Wuhlheide mutieren. Viel Geld braucht es dafür nicht: Womöglich hätte es ausgereicht, wie jene Pfandflaschensammler am S-Bahnhof Köpenick alle abgestellten Bierpullen zu horten, um den Grundstock für den Erwerb einer Stadionaktie im Wert von 500 Euro zu bilden.

Mit stoischer Ruhe ertrug Unions Fangemeinde am Samstag den verspäteten Anpfiff der Partie gegen Tabellenführer Fortuna Düsseldorf. Weil noch viele Gästefans im Stau festsaßen, wurde der Anstoß um 30 Minuten hinausgezögert. Randale von genervten Stadionbesuchern war nicht zu befürchten: Wer will schon sein potenzielles Eigentum beschädigen?!

„Das trägt zur Entspannung bei“, kommentierte Unions Präsident Dirk Zingler die Verzögerung, wohl auch in dem Bewusstsein, dass die vergangenen Tage turbulent genug waren. Zunächst Unions 2:1-Sieg in Braunschweig, der erste Erfolg in der Fremde seit April. Dann der Ausbruch des Aktienfiebers. „Wir verkaufen unsere Seele. Aber nicht an jeden“, lautet das Motto der Aktion. Ein Triumph gegen Düsseldorf wäre ein krönender Abschluss gewesen für die Köpenicker Seelenverkäufer.

Es sollte aber nicht reichen für einen Heimsieg vor 18.432 Zuschauern an der ausverkauften Alte Försterei. Auch wenn sich in der Schlussphase beim Spielstand von 0:0 turbulente Szenen im Strafraum der Fortuna abspielten. Drei Eckbälle in Folge schickten die Eisernen vor das Tor der Gäste, der Ball tanzte von Kopf zu Kopf und lag einschussbereit vor den Füßen mehrerer Spieler. Aber keinem Berliner gelang der ersehnte Siegtreffer.

„In der letzten Minute hat man schon einige Gedanken daran verschwendet, ein 1:0 könnten wir noch einfahren“, gestand Union-Trainer Uwe Neuhaus nach der Partie. Es wäre das vierte Mal in Serie gewesen, dass die Eisernen die Düsseldorfer Fortuna mit einem einzigen Treffer bezwungen hätte. So aber blieb es beim torlosen Remis.

Es ehrt Neuhaus, dass er nicht weiter auf einer Szene aus der vierten Spielminute herumritt. Als Unions Chinedu Ede mit feinem Pass Rechtsaußen Christopher Quiring anspielte und der kleine Wirbelwind den Ball im Fortuna-Netz unterbrachte, soll der vermeintliche Torschütze im Abseits gestanden haben. Düsseldorfs Trainer Norbert Meier zweifelte nach Studium der Fernsehbilder an der Entscheidung von Schiedsrichter Tobias Welz. „Höchstens gleiche Höhe“, urteilte er, also kein Abseits! „Ich weiß es nicht“, antwortete hingegen Neuhaus auf die Frage nach seiner Einschätzung. Der Stimmung im Union-Anhang tat das keinen Abbruch. Nach dem Abpfiff ertönte in der Alten Försterei erneut der Chor der Seelenverkäufer. Jürgen Schulz