Glanz und Bassgewitter

Juliette Gréco, die Grande Dame des französischen Chansons, und die Hiphopper Le Peuple de l’Herbe spielten beim Francophonic-Festival im Admiralspalast und im Maria

Sie habe wirklich gar nichts gemeinsam – nur das Etikett, unter dem sie hier spielen: Juliette Gréco und Le Peuple de l’Herbe sind beide Teil des Francophonic-Festival, dem größten Festival für französische Musik in Deutschland, das zum vierten Mal in Berlin, München und Köln stattfindet.

Trotzdem ist es für einen Moment lustig, so zu tun, als könnten die Chanson-Sängerin und die Elektro-Hiphop-Band etwas miteinander zu tun haben. Man könnte sich das so vorstellen: Juliette Gréco singt im Abendkleid vor einer zuckenden Leibermasse im Maria am Ostbahnhof über tiefe, wummernde Bässe – und die fünf Rapper stürmen zur Begeisterung des gutsituierten Publikums den Admiralspalast, das am Ende des Konzerts unter Standing Ovations riesige Blumensträuße an die fünf Musiker verteilt.

Nein, die wummernden Bässe gehören natürlich zum Hiphop, und die Blumen zu Juliette Gréco. Aber es ist wohl eine große Leistung der Festivalmacher, ein so vielfältiges Festival zusammenzustellen. Das Festival erlaubt einen schönen Überblick über die französische Musikszene – aus der Juliette Gréco wie ein Fixstern herausstrahlt, als sie am Dienstagabend im Admiralspalast auftritt.

Es ist eine große Theaterbühne und das Klavier und das Akkordeon allein wirken etwas verloren auf ihr, aber Juliette Gréco füllt sie ganz – allein mit ihrer Stimme. Sie steht nur da, in ihrem langen schwarzen Kleid, genau in der Mitte der Bühne, links im Eck Klavier und Akkordeon, und singt. Sie raunt, seufzt, klagt, flüstert, jubelt und ihre tiefe, dunkle Stimme flutet das Theater, in ihr klingt die ganze Aura, die ganze Wahrhaftigkeit der Grande Dame des französischen Chansons. Ein ganzes, bewegtes Leben liegt in dieser Stimme, und dennoch klingt sie alterslos, genau wie Juliette Gréco nichts von einer 80-jährigen Dame hat, so leidenschaftlich – ganz ungesetzt und unzurückgenommen – singt sie ihre Chansons.

Über 50 Alben hat sie aufgenommen, im Nachkriegsparis war sie die Muse der Existenzialisten um Jean-Paul-Sartre, auf ihrem letzten Album „Le Temps d’une Chanson“ interpretierte sie sämtliche Klassiker des französischen Chanson von Jacques Brel bis Serge Gainsbourg. Zusammen mit ihrem Ehemann, dem Pianisten und Komponisten von Jacques Brel, Gérard Jouannest, trat sie jetzt in Berlin auf, und es waren vor allem die großen Klassiker wie Brels „Ne me quittes pas“, die das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinriss, inklusive Standing Ovations und zahlreicher Rosen, die ihr auf die Bühne gereicht wurden.

Das Alter von Juliette Gréco haben die fünf Musiker von Le Peuple de l’Herbe in etwa zusammen. 1997 in Lyon gegründet, haben sie inzwischen vier Alben herausgebracht, ihr neuestes namens „Radio Blood Money“ stellten sie am Mittwoch im Maria vor. Auf der Bühne die typischen Insignien einer Hiphop-Gruppe, Turntables, Mikrofone und Hanfblattaufkleber, dazu aber auch Schlagzeug, Bass, Keyboard und Trompete. Denn lupenreiner Hiphop ist es nicht, was Le Peuple de l’Herbe machen, eher ein Amalgam aus Breakbeats, Rockriffs, Jungle, Dub, Dancehall und Jazz-Soli. Instrumentalstücke mit zerhackten Pink-Panther-Trompeten wechseln sich mit abstraktem Hiphop irgendwo zwischen den Beastie Boys und Mike Skinner ab.

Das klingt zwar alles nicht herausragend neu, ist aber extrem tanzbar, was das zu einem großen Teil französischsprachige Publikum auch mit Vergnügen tut. Dazu wird kräftig gewettert gegen Bush und Sarkozy und andere präsidiale Schurken; Radio Blood Money geht zurück auf das postapokalyptische Szenario des Romans „Dr. Bloodmoney“ des „Blade Runner“-Autors Philip K. Dick. Der wurde wiederum maßgeblich von den französischen Existenzialisten beeinflusst – womit doch noch eine Parallele zu Juliette Gréco gefunden wäre.

ADRIAN RENNER

Francophonic Festival noch bis zum 28. 11. www.francophonic-festival.de