Kirchenfusion in neuen Ländern

Zu viele Gotteshäuser, zu wenig Christen: Die evangelischen Kirchen Sachsens und Thüringens vereinigen sich. Fusionsgespräche gibt es auch in Norddeutschland

WITTENBERG taz ■ Der Weg zu einer vereinigten Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) ist frei. Im zweiten Anlauf stimmten am Freitag auch die Synodalen der Evangelischen Kirchenprovinz Sachsen einer Fusion mit der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen zu. Die erforderliche Zweidrittelmehrheit war an gleicher Stätte in Wittenberg im April dieses Jahres noch verfehlt worden.

Die Kirchen auf dem Gebiet der heutigen Bundesländer Sachsen-Anhalt und Thüringen haben sich bereits seit 2004 zu einer Föderation zusammengeschlossen. Auch nach der Vereinigung bleibt die EKM mit knapp einer Million Gläubigen eine der kleineren unter den 22 deutschen Landeskirchen, verfügt aber wegen ihrer kleinteiligen Struktur über 3.300 Gemeinden und ein Fünftel aller Kirchgebäude in Deutschland.

Auch in Norddeutschland wird diese Woche über eine Fusion der Nordelbischen Kirche mit den Mecklenburgern und Pommern gesprochen. Der bundesweite Mitgliederschwund, Struktur- und Finanzprobleme treiben die Vereinigungsbemühungen der Kirchen voran.

Der Magdeburger Bischof Axel Noack sprach zwar davon, dass „Einsparungen nicht im Vordergrund stehen, sondern die Qualitätssicherung“. Gleichwohl ist mit der Fusion zur EKM eine „Verschlankung“ der Kirchenleitung und ein Personalabbau um 35 Prozent verbunden. Finanzdezernent Stefan Große bezifferte die Einsparungen auf 7 Millionen Euro jährlich. Das thüringische Eisenach verliert den Bischofssitz. Der gemeinsame Bischof wird künftig in Magdeburg residieren.

Von der Notwendigkeit einer Vereinigung waren beide Kirchen unterschiedlich überzeugt. Für Thüringen als schwächeren Partner hatte die Synode im April mit deutlicher Mehrheit zugestimmt. In Sachsen befürchteten viele Synodale jedoch den Verlust ihres relativ gesicherten Finanz- und Personalstatus. Zwei Stimmen fehlten im April an der Zweidrittelmehrheit, auch jetzt stimmten nur drei Synodalen mehr als erforderlich für die Vereinigung.

Die Magdeburger Kirchenleitung hatte seit Jahresbeginn versucht, Mängel am gemeinsamen Finanz- und Standortkonzept zu beseitigen und ein akzeptables Bild der gemeinsamen Kirche zu präsentieren. Bischof Noack zeigte sich nun ebenso wie sein Thüringer Amtsbruder Christoph Kähler und der EKD-Ratsvorsitzende Huber erleichtert über die Zustimmung. „Es passiert in der Kirchengeschichte äußerst selten, dass sich zwei Kirchen freiwillig und ohne politischen Druck vereinigen“, stellte er zufrieden fest.

Auf der Synode waren allerdings Vorwürfe laut geworden, die Kirchenleitung habe subtilen Druck auf die Abstimmung ausgeübt. Brigitte Andrae, Präsidentin des Landeskirchenamtes, wies die Vorwürfe zurück. Bischof Noack meinte, sein eifriges Werben für die Vereinigung könne nicht so interpretiert werden. „Nicht frei denken und reden zu können, passt nicht zu einer evangelischen Kirche“, sagte er.

Im kommenden Frühjahr muss nun noch eine gemeinsame Kirchenverfassung erarbeitet und ein Bischof gewählt werden. Glaubensfragen und die Behauptung am „Markt der Religionen“ spielten auf der Wittenberger Synode eine ähnlich untergeordnete Rolle wie auf der kürzlich beendeten EKD-Synode in Dresden. MICHAEL BARTSCH