berliner szenen Neulich bei Ikea

Skandinavische Moral

Ich brauchte neue Teelichter und hatte einen Großauftrag von Freunden (bring mir bitte einen von diesen gestreiften Teppichen, ein Billy-Regal und fünf gepunktete Becher mit), also fuhr ich zu Ikea Tempelhof. Ich konnte nur am Samstag, wenn alle anderen auch Zeit haben. Der Parkplatz war rappelvoll. Zum Glück standen Einweiser bereit, die mit gelbblauen reflektierenden Jacken zwischen den Autos herumliefen. Einer zeigte auf eine Parklücke, die ich mit bloßem Auge gar nicht gesehen hätte.

Er stellte sich hinter meinen Wagen und winkte. Ich fuhr im Schneckentempo auf ihn zu. Im Seitenspiegel hatte ich den Eindruck, dass ich bedrohlich nahe an den nebenstehenden Laster kam. Ich deutete mit dem Finger auf den Lkw. Der Einweiser schüttelte den Kopf und gab mit beiden Händen zu verstehen, wie viel Platz noch zwischen uns sei. Ich fuhr weiter. Er winkte und winkte. Wenn ich zögerlich fuhr, winkte er umso heftiger. Da machte es an meinem rechten Kotflügel „ratsch“. Wütend stieg ich aus. Tut mir leid, sagte der Einweiser zerknirscht, hab ich nicht gesehen.

Mein Kotflügel hatte eine Delle und der Lkw hatte auch etwas abbekommen. Der Einweiser lief gleich zum nächsten Einparkwilligen, um diesem zu helfen. Ich stellte mich bei Ikea am Reklamations- und Umtauschschalter an. Nach fünfzig Minuten wurde endlich meine Nummer aufgerufen. Man sagte mir, dass die Einweiser zwar von Ikea eingestellt, aber keine offiziellen Parkplatzwächter seien und deswegen auch nicht haftbar gemacht werden könnten. Die Führerin des Fahrzeugs trage die alleinige Verantwortung. Ich hätte mich auch von einer Großmutter mit Stock einweisen lassen können. Ich kaufte keine Teelichter mehr.

SANDRA NIERMEYER