GELD NERVT JA TOTAL
: Zeit vergeht

Dann stand M., Exrevoluzzer, -kiffer und -trinker, vor mir

Wir hatten uns vor ungefähr zwanzig Jahren zuletzt gesehen. Früher hatte ich oft für sie geschrieben, nun gingen unsere E-Mails schon ein paar Tage hin und her. Sie hatte gefragt, ob ich einen Text für die neue Ausgabe der intellektuellen Zeitschrift, Spezialthema Alter, schreiben könnte. Auch A und B, die ich gar nicht kannte, würden sich über einen Text von mir freuen. Leider könne sie mir kein Honorar anbieten. Und ich hatte erklärt, dass ich nicht ohne Honorar schreiben wolle, weil ich verschuldet bin, und gejammert, weil ich frustriert bin.

Ich ärgerte mich über die Mails, die ich ihr schrieb, und überlegte, ihr von meinem virtuellen Spickzettel fürs nächste Leben zu erzählen, auf dem viele Punkte notiert waren, die ich ganz anders machen wollte, und dachte dann: nein, das ist ein blöder Witz und sie würde den Sarkasmus nicht verstehen und besorgt zurückschreiben. Ich verstand nicht, weshalb sie mir nicht wenigstens irgendetwas angeboten hatte. Das letzte Mal, als ich umsonst geschrieben hatte, hatte ich vier Schachteln Zigaretten und eine Packung Espresso bekommen, und es war okay gewesen und sogar ins Englische übersetzt worden.

In der Zeit, die ich darauf verwandte, ihr zu erklären, weshalb ich nicht schreiben wollte, hätte ich ihr eigentlich auch einen Text schreiben können. So gingen wir schlecht gelaunt auseinander. Wie bei so vielen Sachen war ich mir im Nachhinein nicht sicher. Vielleicht würde man auch lockerer schreiben, wenn man nichts dafür kriegt. Geld nervt ja total. Vielleicht hätte ich einen tollen Text geschrieben, dachte ich, als ich schon an der Markthalle war. Das Vergehen der Zeit ist ja eins meiner Spezialgebiete. Da stand plötzlich Freund M., ein ehemaliger 70er-Jahre-Revolutionär, Exkiffer und -trinker, mit seinem diabetischen Fuß vor mir und erzählte IS-Witze aus dem arabischen Raum.

DETLEF KUHLBRODT