Schüssel um Schüssel, Buch um Buch

DINNER Lagebestimmung an frittierter Milch: Branchentreff unabhängiger Verlage aus Österreich, Deutschland und der Schweiz

Der geschwächte Euro macht es auch Verlegern aus der Schweiz immer schwerer

Inzwischen ist es eine Tradition: Schon zum dritten Mal hintereinander luden die unabhängigen Verlage Österreichs, Deutschlands und der Schweiz bei der Leipziger Buchmesse zum „Independence Dinner“. Seit dem ersten Essen im Jahr 2013 speist man im Restaurant Chinabrenner im Westen der Stadt, fernab der Buchmesse im Norden. An großen runden Tischen sitzen Verleger – und ein paar Journalisten – versammelt, während das Personal Schüssel um Schüssel mit neuen Speisen heranbringt, die alle der Küche Sichuans verpflichtet sind.

Vieles davon ist ungewohnt – der Lotossalat etwa oder der sehr zart gedämpfte Schweinebauch und als Dessert frittierte Milch –, der Mut zum kollektiven Probieren wird aber stets belohnt. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Tischgespräche kreiste denn auch um die gegenseitigen Geschmackseindrücke und die genauere Bestimmung dessen, was man da gerade zu sich genommen hatte.

Neben dem Essen ging es um die Lage der Branche in den einzelnen Ländern. Von deutscher Seite aus gab es kaum Klagen, dafür einige Neuigkeiten. So freute sich Axel von Ernst vom Verein der Hotlist, die jährlich „die besten Bücher aus unabhängigen Verlagen“ auszeichnet, über die österreichische Druckerei Theiss als neuen Sponsor des Independence Dinners. Personelle Veränderungen kündigte auch der Verleger Stefan Weidle, scheidender Vorsitzender des Vorstands der Kurt Wolff Stiftung, an. Auf ihn folgt nach dem Ende der Buchmesse Britta Jürgs vom Aviva Verlag. Im neuen Vorstand werden ebenfalls die Verleger Jörg Sundermeier vom Verbrecher Verlag und Leif Greinus von Voland & Quist sitzen. Die Stiftung dient der Förderung der Vielfalt von Literatur und Verlagswelt.

Ein trübes Stimmungsbild aus der Schweiz lieferte Ursi Anna Aeschbacher vom Verlag Die Brotsuppe, die für den Verband Swips (Swiss Independent Publishers) sprach. Die Debatte über die Aufhebung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes für Bücher mache den Schweizer Verlegern derzeit stark zu schaffen. Zudem gebe es praktisch keine Buchpreisbindung mehr. Und durch den geschwächten Euro werde es für die Verleger immer schwerer, da sie den Großteil ihrer Umsätze in Euroländern machten.

Inspirationsquelle rote Soße

Optimistischer klang Alexander Potyka vom Picus Verlag. In Österreich bliebe den Verlegern die vom Finanzminister geplante Verdoppelung der Mehrwertsteuer für Bücher aller Voraussicht nach jetzt doch erspart, eine Entscheidung sollte am Freitag fallen. In diesem Sinne zog er einen vom kulinarischen Angebot des Abends inspirierten Vergleich zwischen der Vielfalt der chinesischen Küche und der Vielfalt der – unabhängigen – Verlagsprogramme.

Dazu passte die kurze Begrüßungsrede, die der Wirt des Chinabrenners, Thomas Wrobel, hielt. Er wies auf einen Bildschirm an der Seite des Saals. Der zeigte Bilder davon, wie Menschen in China Essen zubereiten, zum Teil abenteuerliche Herstellungsverfahren wie das Kochen einer Soße in riesigen Tonnen, auf deren Rändern ein Arbeiter mit einem gigantischen, harkenartigen Löffel balancierte, um den rötlichen Inhalt umzurühren. „A Bite of China“ heißt die Serie, die in China ein großer Erfolg war und die es auf insgesamt fünfzehn Folgen brachte. Sieben davon liefen im Dauerloop während des Abends.

Beim Nachtisch, der kurz nach 22 Uhr serviert wurde, war knapp die Hälfte der Gäste übrigens schon aufgebrochen.

TIM CASPAR BOEHME