Lange Haftstrafe für Expräsident Nasheed

MALEDIVEN Der Verurteilte hatte 2012 einen hohen Richter festnehmen lassen. Proteste der Opposition

Die Regierung zeigt seit Monaten zunehmende Anzeichen von Paranoia

VON SASCHA ZASTIRAL

BANGKOK taz | Die Malediven geraten wegen eines Urteils gegen Expräsident und Demokratieführer Mohamed Nasheed international immer mehr in die Kritik. Ein Gericht in der Hauptstadt Male verurteilte den Politiker Ende vergangener Woche zu 13 Jahren Haft. Nasheed hatte während seiner Amtszeit 2012 einen ranghohen Richter unter Korruptionsvorwürfen festnehmen lassen. Die Richter urteilten nun, Nasheed habe den Richter „entführt“ und somit einen „Terrorakt“ begangen. Damit begründeten sie die Freiheitsstrafe.

Indien zeigte sich über das Urteil „zutiefst“ besorgt. Premierminister Narendra Modi wollte vergangene Woche die Malediven besuchen, sagte seinen Besuch wegen des bevorstehenden Urteils gegen Nasheed jedoch ab. Die USA kritisierten das offensichtliche Fehlen eines angemessenen Strafverfahrens. Amnesty International bezeichnete das Verfahren als „zutiefst mangelhaft“ und als ein „Hohn auf die Gerechtigkeit“. Die Malediven hätten internationale Aufrufe, die Unabhängigkeit der Justiz zu stärken, ignoriert und stattdessen ein Scheinverfahren aus politischen Gründen abgehalten.

In der Tat erscheint das Urteil äußerst fragwürdig. Zwei der Richter, die das Urteil gegen Nasheed gefällt haben, haben zuvor bei den polizeilichen Ermittlungen gegen ihn ausgesagt. Die Richter haben zudem vier Entlastungszeugen nicht zugelassen. Der amtierende Präsident Abdulla Yameen wies die Kritik zurück und rief das Ausland dazu auf, das Urteil zu respektieren.

Der anhaltende Konflikt zwischen prodemokratischen Kräften und den Machtzirkeln aus der Zeit der Diktatur hält das Land seit Jahren in Atem. 2008 hat Nasheed überraschend bei einer Wahl gegen den langjährigen Diktator Maumoon Abdul Gayoom, den Halbbruder des gegenwärtigen Präsidenten, gewonnen. Während seiner Amtszeit machte sich Nasheed als Fürsprecher für Maßnahmen gegen die Erderwärmung einen Namen. 2009 hielt er eine Kabinettssitzung unter Wasser ab, um auf den drohenden Untergang der Malediven hinzuweisen, falls der Meeresspiegel weiter ansteigen sollte.

Nach der umstrittenen Festnahme des Richters 2012 meuterte die Polizei, die den Kräften aus der Zeit der Diktatur nahesteht, und zwang Nasheed zum Rücktritt. Er selbst bezeichnete den Vorfall als „Putsch“ – eine Einschätzung, die viele Beobachter teilen. Bei der Wahl ein Jahr später gewann Nasheed den ersten Wahlgang, verpasste aber die absolute Mehrheit. Das Oberste Gericht annullierte die Wahl unter fragwürdigen Umständen. Mehrere Wahltermine wurden verschoben, bis überraschend Yameen als Sieger aus den Wahlen hervorging. Nasheed erkannte das Ergebnis der Wahl an.

Bereits seit Monaten zeigt die Regierung zunehmende Anzeichen von Paranoia. Im Dezember ließ Präsident Yameen seinen langjährigen Vertrauten, Verteidigungsminister Mohamed Nazim, festnehmen, da dieser einen „Putsch“ gegen ihn vorbereitet habe. Ebenfalls im Dezember ließ er zwei Richter des Obersten Gerichts absetzen.

Das Urteil gegen Expräsident Nasheed dürfte ein weiterer Versuch der Regierung sein, sich an die Macht zu klammern. Denn erst kürzlich ist die Opposition enger zusammengerückt. Nasheeds Partei hat vor wenigen Wochen angefangen, mit einer rivalisierenden Oppositionspartei zusammenzuarbeiten. Seit Wochen fordern Regierungsgegner in Male einen Rücktritt Yameens. Die Öffentlichkeit fordert zudem Antworten wegen des Verschwindens eines jungen Journalisten im vergangenen August.