… DIE BERLINER BÖRSE?
: Okkupiert werden

Ja, auch Berlin hat eine Börse, leider ohne Parkett und laute Kaufen-und-verkaufen-Rufe. Die Finanztransaktionen werden hier vor allem online abgewickelt. Aber einmal im Jahr werden die Kleinanleger, die hochgradig Spielsüchtigen und die professionellen Finanzanleger der renommierten Bankhäuser in das Ludwig Erhard Haus geladen. Am Samstag war es wieder so weit, die Berliner Börse lud zum Tag der offenen Tür. „Eintritt frei“ stand auf den Werbeplakaten. Da fühlte sich die Occupy-Bewegung natürlich angesprochen.

Besonders interessant klang die Podiumsdiskussion mit dem Titel „Die Währungsreform kommt! Bleibt oder geht der Euro?“. Der Saal platzte aus allen Nähten. Freundlicher Applaus und vereinzelte Zwischenrufe sorgten von Anfang an für gute Stimmung. Doch als auf dem Podium die Frage aufkam, ob Reichtum umverteilt werden müsse, stürmte ein Dutzend sichtlich reicher Menschen vor die Bühne. Der Garderobe nach zu urteilen waren diese Damen und Herren direkt aus Monaco angereist. Sie skandierten: „Arbeit für alle und Profite für uns!“ Schilder mit der Aufschrift „Geld“, „Gier“ und „Koks“ sollten deutlich machen, dass das eine Prozent auf keinen Fall noch weiter belastet werden dürfe. Dann ging es eine Runde durch den Tag der offenen Börse, vorbei an den Messeständen der Finanzbranche. Ein klarer Punktsieg für die Occupy-Bewegung.

Das wollte der Börsenkreis Berlin als Veranstalter und zumal mit Heimvorteil nicht auf sich sitzen lassen. Spontan wurde eine Abschlusspodiumsdiskussion mit Occupy Berlin organisiert. Diese verlief in freundlicher, manchmal auch emotionaler Atmosphäre und ganz im Sinne der Occupier, die ja als oberste Maxime ausgeben, dass die Menschen wieder direkt miteinander ins Gespräch kommen müssen.

Fazit: Die einen haben gelernt, dass man mit Börsianern wie mit ganz normalen Menschen reden kann. Und die anderen, dass die Occupy-Bewegung entgegen ihrem Ruf auch inhaltlich einiges zu bieten hat. JAL Foto: ap