Schreibblockade in Österreich

In Margit Schreiners „Haus, Friedens, Bruch“ wird die Magie des Alltäglichen beschworen

Es ist ein durch und durch österreichisches Buch, das Margit Schreiner geschrieben hat. Das kann einerseits kaum verwundern, schließlich ist sie ja Österreicherin. Aber im Buch taucht weit mehr Landestypisches auf als nur das oberösterreichische Linz als Schauplatz. Vor allem die Eigenheit des hemmungslosen Schwadronierens tritt deutlich zutage: In „Haus, Friedens, Bruch“ lässt Schreiner ihre Protagonistin über das Schriftstellerdasein und das Leben überhaupt lamentieren. Die namentlich nicht genannte (Anti-)Heldin plagt sich damit, täglich gegen 330.000 Neuerscheinungen anzuschreiben, ärgert sich über Literaturbeilagen und versucht zu schreiben – der alltägliche Autorenwahnsinn also. Sie schimpft auf männliche Kollegen, die sich in Feuilletons gegenseitig bejubeln und, welch Überraschung, im echten Leben auch noch befreundet sind. Seit Thomas Glavinic’ Roman „Das bin doch ich“, der den Literaturbetrieb spiegelt und es in diesem Herbst auf die Buchpreis-Shortlist schaffte, dürfte klar sein, wen Schreiners Anspielung meint: die „Freunderlwirtschaft“ von Thomas Glavinic und Daniel Kehlmann.

Margit Schreiner, die mit ihren Büchern „Die Eskimorolle“ und zuletzt „Haus, Frauen, Sex“ hervortrat, hat in Tokio, Paris, Berlin und Italien gelebt. Von genau diesen Orten erzählt auch ihre Protagonistin. Jedoch auf Fragen nach dem autobiografischen Hintergrund reagiert die 1953 geborene Autorin meist gelangweilt: Ihre Geschichten seien zu 99 Prozent erfunden und zu 99 Prozent wahr. Und überhaupt sollte man einen Krimi schreiben: Darin sind sich Protagonistin und Autorin weitgehend einig. Doch der Plot eines Krimis, so heißt es in „Haus, Friedens, Bruch“, ist immer zu einfach gestrickt. Entweder man rollt die Geschichte von hinten oder von vorn auf. Innovativ kann der Autor nur mehr in der Form sein und schon lange nicht mehr im Inhalt. Schließlich wurde alles schon tausendmal geschrieben.

Eingehämmert wird in diesem Lamento nichts; sehr unterhaltsam passiert hier alles nebenbei. Es gibt jedoch auch gewisse Längen: Man muss seine Protagonistin nicht auf ganzen vier Seiten sich darüber ergehen lassen, wie sie mit ihrem ehemaligen Masseur über die Naturdarstellung in Fünfzigerjahre-Filmen redet. Diese Episode soll einen der schönen Momente im Leben einer Frau darstellen, die ansonsten nächtlich heimgesucht wird von der eigenen Mutter, dem Ex, einem Kinderpsychiater und der Ex des aktuellen Freundes. Der ist zwar schon seit acht Jahren mehr oder weniger Lebensgefährte; zu einer Scheidung hat er sich allerdings noch nicht durchringen können.

Kaum etwas durchbricht diesen Alltag mit seinen permanenten Reflexionen und Beobachtungen. Komisch ist es dennoch, nicht zuletzt wegen des ständigen Vergleichs von Deutschen und Österreichern. Der Exmann unserer Heldin kommt aus Deutschland und ist deshalb schon per se Rechthaber. Natürlich schimpft der Verflossene auch über die anderen Deutschen und deren Rechthaberei – denn nur einer hat recht, und das ist schließlich er. Dass seine Exfrau sich wiederum darüber wundert, versteht sich ebenfalls: Als Österreicherin ist ihr schließlich sowieso alles egal. Solch leise Ironie durchzieht das Buch, ob nun Schreiner über das Älterwerden spricht, über die Schwierigkeiten als Alleinerziehende, über schwindende Libido oder permanente Schreibblockaden.

Schreiner kämpft gegen alles Zwanghafte. Vielleicht hat sie deshalb die Form des inneren Monologs gewählt. Sie macht sich lustig über eine Leserschaft, die Gesellschaftskritik in Romanen fordert und im realen Leben so wenig davon hält. Und sie plaudert über die Fragwürdigkeiten des Katholizismus oder von Anti-Nikotinratgeber-Autoren, die an Lungenkrebs sterben. Es ginge in der Literatur um das Auflösen dieser und um das Schaffen einer anderen Wirklichkeit, so Schreiner. Wenn dazu auch gehört, scheinbaren Belanglosigkeiten neue Wichtigkeit zu verleihen und die Magie des Alltags zu zeigen, dann ist Margit Schreiner das gelungen. BETTINA KOLLER

Margit Schreiner: „Haus, Friedens, Bruch“. Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2007, 248 Seiten, 18,90 Euro