Sparpolitik lässt Löhne massiv sinken

GRIECHENLAND Die Einkommen der privaten Haushalte sind um ein Drittel eingebrochen, zeigt eine neue Studie. Steuererhöhungen belasten vor allem ärmere Haushalte – sie müssen 337 Prozent mehr Abgaben leisten

Die Austeritätspolitik sei „überhart“, so Wirtschaftsforscher Horn

VON LEA DEUBER

BERLIN taz | Massive Lohnkürzungen und Steuererhöhungen haben die Einkommen der privaten Haushalte in Griechenland einbrechen lassen. Das zeigt eine Studie von Athener Wissenschaftlern im Auftrag des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), die am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde. Besonders stark seien Haushalte mit niedrigem und mittlerem Einkommen betroffen.

Die Bruttoeinkommen der griechischen Privathaushalte sind laut der Studie zwischen 2008 und 2012 um ein Viertel gesunken. Grund dafür seien unter anderem Lohnkürzungen, die Senkung des Mindestlohns und die steigende Arbeitslosigkeit. Das Bruttoeinkommen errechnet sich aus den Gesamteinkünften aller Mitglieder eines Haushalts vor Steuern und Sozialabgaben. Für die aktuelle Studie untersuchten die Forscher nach eigenen Angaben repräsentative Steuerdaten von mehr als 260.000 Haushalten in Griechenland.

Auch die Nettoeinkommen fielen der Untersuchung zufolge – um rund 9 Prozent. Fast jeder dritte griechische Haushalt musste 2012 mit einem Jahreseinkommen von weniger als 7.000 Euro auskommen.

Besonders beachtenswert: Beschäftigte im öffentlichen Dienst mussten nur auf 8 Prozent ihres ursprünglichen Gehalts verzichten. Vielfach seien zunächst verfügte Kürzungen in den Behörden nicht umgesetzt oder aber nach kurzer Zeit zum Teil auf Basis von Gerichtsentscheidungen zurückgenommen worden, heißt es als Erklärung in der Studie. Damit verdienen griechische Beamte im Schnitt 43 Prozent mehr als Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft.

Besonders stark belastet werden die ärmeren Haushalte. So stieg die Steuerbelastung der unteren Einkommenshälfte um 337 Prozent, die der oberen Hälfte dagegen lediglich um 9 Prozent. Die jährlichen Steuerforderungen erhöhten sich für ärmere Haushalte damit zwar nur um einige hundert Euro, dies überfordere aber aufgrund der schwierigen Lage des Landes bereits viele Geringverdiener, so die Wissenschaftler. Das IMK, das zur gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung gehört, hält die europäische Politik der letzten Jahren für unsozial und kurzsichtig. „Die nüchternen Zahlen zeigen, wie Millionen Menschen in Griechenland durch eine überharte und sozial völlig unausgewogene Austeritätspolitik wirtschaftlich abgestürzt sind“, sagte Gustav Horn, wissenschaftlicher Direktor des IMK. „Hunderttausende sind in ihrer Existenzgrundlage bedroht, weil die von der Troika aus EU, EZB und IWF geforderte und von den bisherigen Regierungen sehr kurzsichtig und zum Teil interessengeleitet umgesetzte Sparpolitik kaum soziale Abfederung kannte.“