Richtig rechnen: Was kostet die Welt?

Wer beim Fliegen ein schlechtes Klimagewissen bekommt, kann ein Zertifikat erwerben: Mit dem Geld dafür werden Projekte gefördert, die den Schaden kompensieren. Doch die Preise können bei gleichen Flügen stark variieren

In den letzten Jahren haben sich verschiedene Organisationen gebildet, die die ökologischen Folgen des Fliegens für das Klima kompensieren wollen. Sie bieten Passagieren die Möglichkeit, in Abhängigkeit vom Flug und seiner Umweltbelastung Klimazertifikate zu erwerben. Die Einnahmen aus dem Verkauf der Zertifikate investieren diese Organisationen in Projekte, die sich zum Ziel gesetzt haben, die Kohlendioxidbelastung zu vermindern.

Der Flugverkehr trägt durch eine Vielzahl von Schadstoffen und unterschiedlichen Effekten zum Treibhauseffekt bei. Sein Anteil am gesamten menschengemachten Treibhauseffekt wird derzeit auf rund 9 Prozent geschätzt. Dabei geht es nicht nur um den Kohlenstoff, der üblicherweise im Zentrum der Klimadebatte steht. Bei Langstreckenflügen in rund zehn Kilometer Höhe verändern sich chemische Abläufe. Stickoxide und Partikel führen zu erhöhten Belastungen für das Klima, sodass eine Rechnung ohne diese Stoffe und Prozesse zu kurz griffe. Die Wissenschaft ist noch nicht in der Lage, die gesamte durch Flüge verursachte Klimabelastung exakt zu benennen.

Eine der bekanntesten Organisationen zur Abgeltung der flugbedingten Klimaschädigung ist Atmosfair. Das Non-Profit-Unternehmen ist aus einem Forschungsprojekt, das unter anderem vom Bundesumweltministerium finanziert wurde, hervorgegangen. Die US-amerikanische Universität Tufts hat in einer Studie 13 solcher Organisationen untersucht. Atmosfair war dabei einer von vier Anbietern, die die Note „sehr gut“ erhielten.

Bei den Berechnungen der einzelnen Anbieter, fallen deutliche Preisunterschiede auf. Ein Zertifikat für einen Hin- und Rückflug von Berlin nach Cancun in Mexiko kostet bei Atmosfair 122 Euro, denn nach dieser Berechnung müssen 6.020 Kilogramm Kohlendioxid kompensiert werden. MyClimate weist aus, dass lediglich 4.118 Kilogramm Kohlendioxid kompensiert werden müssten, und berechnet dafür rund 98 Euro. Bei der Lufthansa, die das Geld ihrer zahlungswilligen Passagiere an MyClimate zur Förderung von Projekten weiterreicht, werden allerdings nur 1.762 Kilogramm Kohlendioxid berechnet – macht 35 Euro.

Diese Unterschiede rühren aus der Methodik. Ähnlich wie Atmosfair arbeitet MyClimate mit einem Multiplikator für die Kohlendioxidbelastung, um die Gesamtbelastung des Klimas abzubilden. Die Lufthansa rechnet nur mit der reinen Kohlendioxidbelastung.

Die Spendenmöglichkeit ist auf der Website der Lufthansa zudem so versteckt platziert, dass kaum ein Passagier sie findet. Easy Jet sei da weiter, betont Unternehmenssprecher Oliver Aust: Die Klimaspende sei voll in den Buchungsprozess integriert. Um die Entscheidung für oder gegen eine Spende kommt bei der Onlinebuchung niemand herum. Aber auch Easy Jet setzt wie alle anderen Fluglinien auf reine Kohlendioxidkompensation.

Für MyClimate-Geschäftsführer René Estermann geht es aber in erster Linie gar nicht um die Höhe der Gelder: „Das A und O ist die Verwendung. Hier entscheidet sich, wie gut die Kompensationen wirklich ist.“ Estermanns Kollege Brockhagen unterstreicht dies. Atmosfair führt deshalb nur noch Projekte in unterentwickelten Ländern durch, die dem CDM-Standard der UNO oder dem noch höheren Goldstandard entsprechen, der von Nichtregierungsorganisationen entwickelt wurde. MyClimate ist noch nicht so weit, sagt Estermann, strebe dies aber an. Auch MyClimate wurde von der Universität Tufts für gut befunden.

TILMAN VON ROHDEN