Klein-Zinda bei Botero

Die Femmes fettales

Klein-Zinda hat ein hübsches, dreieckiges Hundegesicht. Sie kann die Nase senken und sehr vorwurfsvoll gucken. Etwa, wenn es keinen Nachschlag gibt. Neulich traf Klein-Zinda auf merwürdige Gestalten. Sie waren dick und groß, kurzbeinig und gnubbelig. Die monumentalen Bronzefrauen von Fernando Botero, die bis vor kurzem die Stadt bevölkerten, glichen Riesen-Pummeln: Als hätte man das Schönheitsideal „dicke Beine, dicker Hintern“ ausgerufen.

Ausgerechnet im Lustgarten standen diese femmes fettales ungeniert und nackt herum. Klein-Zinda staunte. Wenn das schön ist, wieso darf sie keine Speckrollen um den Leib kriegen? (Von dicken Beinen bleiben Hündinnen verschont, in diesem Punkt ist ihre Anatomie deutlich geglückter als beim Menschen.) Die Reaktion der Besucher bei den Bronzedickmadamsen gab Zinda Recht: Die Leute waren begeistert. Sie turnten bei den Fettfrauen umher, knipsten wie wild, posierten mit den mächtigen Schenkeln und glotzten sich einen steifen Nacken herbei, denn um die symmetrischen Gesichter der Mollis zu begucken, musste man den Kopf zurücklegen.

Und so malte sich Klein-Zinda aus, welchen Erfolg sie als Pummel-Zinda haben könnte. Man würde ihre rundlichen Formen mehr liebkosen denn je, und damit sie ja kein Pfündchen verliert, würde sie ständig nachgefüttert werden. Das war das Wichtigste: dass es dann ständig Futter gibt. Keine Minute mehr ohne Fresschen.

Aber wie machen das die Dicken des Botero? Hat man sie je etwas zu sich nehmen sehen? Klein-Zinda wird ganz mulmig. Jetzt ist sie schon eine halbe Stunde in diesem Wald aus fetten Frauen, und noch immer hat keine von ihnen was gegessen.

GISELA SONNENBURG