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Tuesday, After Christmas Rumänien 2010, R.: Radu Muntean, D: Maria Popistasu, Mimi Branescu

Wie sie so daliegen, nackt im Bett – sich neckend, nachdem sie offensichtlich gerade miteinander geschlafen haben – würde man nicht meinen, dass Paul (Mimi Branescu) und Raluca (Maria Popistasu) irgendwelche Probleme in ihrer Beziehung hätten. Doch schon in dieser ersten, fast zehn Minuten langen, in einer einzigen unbewegten Einstellung gedrehten Szene kündigt sich das Drama an, auf das dieser nachhaltig berührende Film in den folgenden 90 Minuten zusteuern wird: Die beiden haben eine Affäre.

Paul ist seit zehn Jahren mit Adriana (Mirela Oprisor) verheiratet und führt mit ihr und der gemeinsamen Tochter Mara (Sasa Paul-Szel) ein allem Anschein nach glückliches Familienleben. Es ist kurz vor Weihnachten, die letzten Vorbereitungen werden mehr oder weniger routinemäßig getroffen. Doch spätestens als die beiden Frauen zum ersten Mal aufeinander treffen (Raluca ist Maras Zahnärztin und Adriana geht überraschend mit zum Termin dort) merkt Paul, dass er sich nun – nach fünf Monaten Doppelleben – für eine der beiden Frauen entscheiden muss.

Die etwa 20-minütige Szene, in der Paul seiner Frau die Affäre gesteht, zählt zu den intensivsten dieses Kinojahres: In langen ruhigen Einstellungen gedreht, spürt man hier förmlich am eigenen Leib, wie in der betrogenen Ehefrau innerhalb weniger Minuten eine ganze Welt zusammenbricht. Weil Muntean seine Inszenierung hier wie über den gesamten Film hinweg ganz in den Dienst seiner Geschichte und seiner Figuren stellt, entwickelt das Geschehen eine enorme emotionale Wucht. „Ich bin der Überzeugung, dass Kino keine Demonstration sein sollte, sondern ein Erlebnis“, sagt der Regisseur, „im besten Fall werden Regie und Kamera eins mit der Geschichte, und der Zuschauer kann den Film später ganz persönlich für sich erleben.“ Fast wie von selbst ergibt sich bei hierbei ein großer Freiraum für die Schauspieler, den diese – Branescu und Oprisor sind auch im wirklichen Leben ein Paar – mit ihrem äußerst nuancierten Spiel jederzeit auszufüllen verstehen.

Als weiterer Vertreter des rumänischen Filmwunders der letzten Jahre kann sich Radu Muntean mit seinem voriges Jahr in Cannes und beim Filmfest Hamburg präsentierten vierten Film durchaus neben Cristian Mungius Meisterwerk „4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage“ sehen lassen, der auch schon durch einen nüchternen Blick so sehr zu bewegen verstand. Nur dass wir hier nun in der neuen Bukarester Mittelschicht angekommen sind, wo die Menschen – 20 Jahre nach der Wende – ganz ähnliche Probleme haben, wie die im Westen. Als Chronist dieses tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandels versprüht Munteans Kino einen Hauch von Antonioni.

Eckhard Haschen

Als eine Art Gegengift zur Vorweihnachtsseligkeit läuft „Tuesday, After Christmas“ am Fr um 16.00 sowie Sa– Mi um 18.00 Uhr im 3001 Kino in Hamburg, Schanzenstraße 75