„Bei Milliarden verlieren viele die Übersicht“

Der sächsische SPD-Landtagsabgeordnete Cornelius Weiss sieht die Luft im Parlament brennen

CORNELIUS WEISS, 74, ist SPD-Abgeordneter im Sächsischen Landtag. Bis September war er Vorsitzender seiner Fraktion.

taz: Herr Weiss, wird die SPD in Sachsen die Koalition mit der CDU aufkündigen?

Cornelius Weiss: Die Luft brennt im sächsischen Parlament, das ist klar.

Wird die SPD den CDU-Ministerpräsidenten Georg Milbradt stürzen?

Wir werden mit Nachdruck Ursachenforschung betreiben, wie es zu den Milliardenverlusten bei der sächsischen Landesbank gekommen ist. Aber nicht jetzt. Momentan geht das Wohl des Landes vor. In den Verkaufsverhandlungen mit Baden-Württemberg müssen wir retten, was zu retten ist. Da dürfen wir uns nicht zersplittern. Das sieht selbst die Opposition so.

Vor Weihnachten soll es eine Sondersitzung des Landtags geben. Wird dann Milbradts Schicksal entschieden?

Dazu werde ich jetzt nichts sagen. Jedes Wort ließe sich für gezielte Missverständnisse missbrauchen. Zunächst muss der Schaden für das Land minimiert werden.

Wie hoch, glauben Sie, wird denn dieser Schaden sein?

Das weiß bisher niemand. Aber in jedem Fall ist die Lage katastrophal. In der CDU hoffen manche, dass wir vielleicht mit 1,5 Milliarden Euro davonkommen könnten. Aber rechnen Sie das mal um: Wenn wir jeden Tag 1.000 Euro abzahlen würden – dann wären wir reichlich 2.700 Jahre damit beschäftigt, diese Schulden zu tilgen. Sobald es um Milliardenbeträge geht, verlieren viele Leute die Übersicht.

Aber ist Ihr Rechenbeispiel nicht ein wenig polemisch? Die CDU hat doch schon eine komplette Haushaltssperre ins Gespräch gebracht.

Das bringt doch fast gar nichts. In den meisten Etats lässt sich nicht kürzen, weil es sich um langfristige Personalverpflichtungen handelt. Man würde also vor allem bei den Kindergärten oder Hochschulen sparen – und auch das würde nur 10 Millionen Euro jährlich bringen. Wir bräuchten also hundert Jahre, um 1 Milliarde Euro zu erwirtschaften! Das ist, als würde man aus der Ostsee mit einem Kindereimer Wasser abschöpfen.

Sachsen ist also bankrott?

Im schlimmsten Fall muss das Land für 43 Milliarden Euro aufkommen. Dafür hätte sich jede Familie einen Luxusschlitten leisten können.INTERVIEW: ULRIKE HERRMANN